Wien - "Wie können Sie unabsichtlich über die zwei Meter hohe Zwischenwand einer Toilette fallen?", will Richter Thomas Schrammel wissen. "Sie sagen das immer so komisch", entgegnet der Angeklagte. "Also wenn, dann ist Ihre Verantwortung komisch", kontert der Richter. Der angeklagte Stefan S. (25) bestreitet nicht, dass er an jenem Abend im Juni 2007 in einer burgenländischen Disco auf der Damentoilette war. Er will aber nicht aufgepasst haben, auf welches Klo er ging. Er will einen betrunkenen Freund gesucht haben. Und er habe auf der Toilette nichts sehen können, erklärt er am Montag im Wiener Landesgericht.

"Ein hell erleuchtetes Häusl", wundert sich Richter Schrammel, der den Angeklagten mit seiner Aussage bei der Polizei konfrontiert: Demnach habe er angegeben, dass er in der Nachbarkabine eine Frau habe sitzen gesehen. Das habe er nie gesagt, behauptet Stefan S. Das habe die Polizei nur so ins Protokoll geschrieben. Dem gegenüber steht die Aussage jener Frau, die sich in der Toilette befand - sie sei vom Angeklagten ums Haar vergewaltigt worden und habe sich nur mit einem Trick retten können: "Gehn wir raus, da ist mehr Platz."

Die DNA-Spur aus Wien

Vor allem aber brachte die DNA-Analyse des Mundhöhlenabstriches von Stefan S. ein verblüffendes Ergebnis: Genau dieser genetische Fingerabdruck wurde nämlich seit dem September 2005 in Wien gesucht. Damals war eine 28-jährige Frau in ihrem Wohnhaus von einem Unbekannten überfallen, halb entkleidet, geschlagen und gewürgt worden. Im letzten Moment konnte sie um Hilfe schreien und wurde von der geistesgegenwärtigen Hausmeisterin gerettet. Die riss das Fenster auf und schrie: "Die Polizei kommt schon." Da ließ der Täter von der Frau ab und floh.

Die genetischen Spuren auf einer Zigarette, die der Täter geraucht und die am Tatort gefunden wurde, sind nun identisch mit der DNA von Stefan S.

"Nein, ich war nie dort", beharrt Stefan S. am Montag. Bei der Einvernahme soll er einer Polizistin gesagt haben: "Das können S' mir net erzählen, dass ich der Einzige auf der Welt mit dieser DNA bin."

Dabei war Stefan S. in der Haft durch das Zellenguckloch dem Opfer gezeigt worden. Die Frau hatte ihn eindeutig als jenen Mann erkannt, der ihr bereits bei der Heimfahrt im Nachtbus aufgefallen war. Stefan S. wiederum sagt, dass er - durch die geschlossene Zellentüre - gehört habe, wie eine Beamtin bei der Gegenüberstellung gesagt haben soll: "Schau ihn an, das muss er sein " - was die Polizistin im Zeugenstand entrüstet zurückweist.

Abrüstungsfeier als Alibi

Der Angeklagte hat für die Nacht, in der sich der Überfall in Wien ereignete, allerdings ein Alibi: Er sei bis in die Morgenstunden in der Wiener Innenstadt bei einer Abrüstungsfeier gewesen. Das bestätigen auch Kameraden - doch auch in ihren Aussagen gibt es Widersprüche und viele Gedächtnislücken. Einer der Zeugen etwa "weiß nicht einmal mehr, wo ich in dieser Nacht geschlafen hab". Ein anderer, der mitgezecht hatte, sagte erst aus, man habe sich in der City vor einem Lokal getrennt. Jetzt ist er sich wiederum absolut sicher, dass er gemeinsam mit Stefan S. in dessen Auto in den 19. Bezirk gefahren sei.

Bei der Befragung zu einem weiteren Fall - Stefan S. soll auch eine Exfreundin verprügelt haben - lieferte der Angeklagte am Montag aufs Neue eine andere Version ab als bei der polizeilichen Einvernahme. "Es hat keinen Sinn, wenn Sie mir jetzt wieder ein anderes Geschichterl erzählen", unterbricht ihn Richter Schrammel. "Was stimmt jetzt, das Geschichterl jetzt oder das damals?"

Die Verhandlung wurde für die Ladung weiterer Zeugen vertagt. (Roman David-Freihsl/DER STANDARD, Printausgabe, 16. September 2008)