Ein Leben lang Bilder machen: die deutsche Kamerafrau und Filmautorin Gisela Tuchtenhagen.

Foto: ZDF

Auf einem Magazincover, auf dem groß der Titel "Kameramann" prangt, ist eine junge Frau abgebildet, mit geradem Blick und einer Filmkamera auf der Schulter. Sie sei, sagt Gisela Tuchtenhagen heute, gut 30 Jahre später, merklich noch mit fröhlicher Genugtuung, wohl die erste Frau gewesen, die es zu dieser Anerkennung als Profi gebracht hatte.

Die Filmemacherin Quinka F. Stoehr hat Tuchtenhagen porträtiert, sie zu diesem Zweck auf eine Reise durch ihr Leben geschickt. Diese beginnt in der Nähe von Hamburg, wo die 1943 Geborene als Jugendliche prägende Erfahrungen in einem Erziehungsheim machte, bevor ihr, erst sechzehnjährig, die Flucht nach Paris gelang.

Nach Jahren des Hippie-Lebens zwischen der Metropole und Südfrankreich begann Tuchtenhagen 1968 ein Filmstudium an der DFFB in Berlin. Ein Dozent, Klaus Wildenhahn, wurde für viele Jahre ihr Lebens- und Arbeitspartner. Die Begegnung initiierte auch Tuchtenhagens Interesse am Dokumentarfilm: an einer Form der (audio-)visuellen Auseinandersetzung mit Wirklichkeit, welche tendenziell auch auf eine Veränderung dieser Wirklichkeit abzielt; an einem politischen Kino, das sich auf die Seite gesellschaftlich Marginalisierter stellt. Mit Wildenhahn gemeinsam realisierte sie unter anderem "Der Hamburger Aufstand Oktober 1923" (1971) oder "Emden geht nach USA" (1975/76), in Eigenregie entstand beispielsweise die fünfteilige Reihe "Heimkinder" (1985/86).

Über das Konzept von Stoehrs Porträt, das die Programmatik der Filmemacherin Tuchtenhagen im Titel Zuneigung verdichtet und den Schwerpunkt auf die Privatperson legt, ließe sich streiten. Schwerer wiegt jedoch, dass 3sat am Mittwoch um 0.35 nur den letzten Teil von Tuchtenhagens Heimkinder-Dokumentarfilmreihe zeigt. (Isabella Reicher/DER STANDARD; Printausgabe, 16.9.2008)