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AIG hat infolge der Kreditkrise deutliche Kursverluste erlitten.

Foto: Reuters/Andrew Winning

New York - Nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers kämpft der nächste große US-Finanzkonzern um sein Überleben. Der Versicherungsriese American International Group (AIG) benötigt dringend frisches Kapital, um das Geschäft langfristig aufrechterhalten zu können. Die Suche wird immer schwerer, denn die drei wichtigsten Ratingagenturen reduzierten am Dienstag ihre Bonitätsnoten für den einst weltgrößten Versicherer.

Dies verteuert die Refinanzierung und könnte eine existenzbedrohende Kettenreaktion auslösen. Die US-Notenbank (Fed) hat Finanzkreisen zufolge mittlerweile die Investmentbank Morgan Stanley damit beauftragt, alle Optionen für AIG zu prüfen.

Mögliche Rettung

Einem nicht bestätigten CNBC-Bericht zufolge könnte die US-Regierung bereit sein, zur Rettung von AIG staatliche Gelder bereitzustellen. Bei den Diskussionen lägen Regierungsmittel auf dem Tisch, sagten Wall-Street-Insider dem Fernsehsender am Dienstag. Die Nachricht sorgte an den Börsen für große Erleichterung: Der Dow-Jones-Index drehte ins Plus.

In einer ungewöhnlichen Aktion erlaubte die regionale Fed von New York dem Versicherungskonzern am Montagabend entgegen üblicher Rechtspraxis, auf Einlagen von Tochtergesellschaften zuzugreifen. Dadurch bekommt der Versicherungsriese kurzfristig Zugang zu 20 Mrd. Dollar (14,1 Mrd. Euro). Für das langfristige Überleben ist Finanzkreisen zufolge aber deutlich mehr nötig. Eine mit der Angelegenheit vertraute Person sagte Reuters, die Banken JP Morgan und Goldman Sachs prüften auf Bitten der Fed einen gemeinsamen Kredit von 70 bis 75 Mrd. Dollar für AIG. "AIG scheint der Nächste auf dem Schafott zu sein", kommentierte Tom Sowanick, Finanzexperte beim Investmenthaus Clearbrook Financial in Princeton.

Unverkäufliche Papiere

Der Versicherer mit weltweit mehr als 100.000 Mitarbeitern hat in den vergangenen drei Krisenquartalen fast 20 Mrd. Dollar Verluste angehäuft, was die Kapitaldecke massiv angekratzt hat. Grund sind Garantien, die der Konzern - bei dem auch viele deutsche Großkonzerne versichert sind - für Hypothekenpapiere übernommen hat. Diese Wertpapiere haben stark an Wert verloren oder sind inzwischen sogar unverkäuflich.

Wegen der Liquiditätsprobleme ging der AIG-Aktienkurs am Montag um weitere 61 Prozent in die Knie und liegt nur noch bei 4,76 Dollar. Das Unternehmen hat in diesem Jahr schon mehr als 90 Prozent an Börsenwert verloren. Nach gescheiterten Übernahmeverhandlungen mit dem Milliardär Warren Buffett und Beteiligungsfirmen bat AIG am Sonntagabend die US-Notenbank um Unterstützung. Zudem prüft das Unternehmen den Verkauf von Beteiligungen, um Geld in die Kassen zu bekommen.

Notverkäufe

Die vor mehr als einem Jahr ausgebrochene Finanzkrise hat sich seit dem Wochenende dramatisch zugespitzt. Für das traditionsreiche Investmenthaus Lehman fand sich nicht einmal mehr kein Käufer - auch weil der Staat dieses Mal nicht helfend einspringen will. Die Bank musste deshalb Gläubigerschutz nach US-Insolvenzrecht beantragen. Die ebenfalls angeschlagene Investmentbank Merrill Lynch wurde für 50 Mrd. Dollar notverkauft an die Bank of America. Die Kurse an den Börsen rutschten weltweit ab, besonders Finanztitel blieben auch am Dienstag unter Druck.

"Wir werden weitere große Finanzkonzerne zusammenbrechen sehen", sagte der frühere Fed-Chef Alan Greenspan nach dem Lehman-Kollaps voraus. Der Staat dürfe nicht jedem Institut zur Seite springen. "Es ist der Lauf der Dinge in der Finanzwelt, dass es Gewinner und Verlierer gibt." Neben AIG gilt auch die größte US-Sparkasse Washington Mutual wegen massiver Verluste mit Hypothekenpapieren als schwer angeschlagen. Während etwa die Ratingagentur S&P die AIG-Bonität trotz Herabstufungen wenigstens noch auf Investment-Niveau sieht und sich ihrer Meinung nach Risiken für Gläubiger damit noch halbwegs in Grenzen, vergibt sie Washington Mutual mittlerweile Ramschstatus. Die Aktien, die bereits im regulären Handel unter Druck standen, gaben außerbörslich nochmal fast 30 Prozent nach. (APA/Reuters)