STANDARD: Sind Privatsphäre und Ehre von Opfern und Tätern ausreichend durch die geltenden Gesetze geschützt, bräuchte es höhere Rahmen oder nach oben offene Entschädigungen/Strafen?

Cap: Ich glaube, dass das Mediengesetz grundsätzlich einen ausgewogenen Kompromiss zwischen den Interessen aller Beteiligten darstellt. Wie Sie wissen, liegt die Zuständigkeit für Fragen des Persönlichkeitsschutzes und der Entschädigungen und Strafen bei der Justizministerin. Auch hier gilt aber ganz allgemein, dass Einschränkungen des Grundrechts auf Meinungsäußerungsfreiheit insbesondere nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte einer besonderen Rechtfertigung bedürfen.

Morak: Die parlamentarische Enquete "Medienrecht & Opferschutz" hat zahlreiche interessante Vorschläge gebracht. Dabei hat sich gezeigt, dass der Opfer- und Täterschutz im österreichischen Medienrecht grundsätzlich ausreichend verankert ist. Dennoch sind Anpassungen in Hinblick auf die jüngsten Ereignisse nötig, um insbesondere einen angemessenen Opferschutz zu gewährleisten.

Problemfelder sind dabei: Höchstgrenzen der Entschädigung, Paparazzi, Schutzzonen, Prozessbegleitung, psychologische Beratung der Opfer. Hier gilt es, in den nächsten Monaten eine sachorientierte Diskussion zu führen.

Schennach: Wir sind dafür, hier eine Gesetzesreform zu machen. Der Schutz ist unzureichend bzw die Mediensenate der Gerichte zum Teil inferior. Gleichzeitig ist es ein Spagatt - denn notwendige Schutz darf nicht zu einer Einschränkung von Pressefreiheit führen. Aber notwendig ist auch das Selbstkorrektiv - den Presserat - effizient wiederzubeleben. Aber der Fall Amstetten hat gezeigt, dass in manchen Medien im Krieg um den Boulevard jegliche Schamgrenze verloren gegangen ist. Dies trifft auch auf den Fall "Kampusch" zu, jedoch sicherlich in etwas anderer Form. Hier stellt sich auch eine Rückfrage nach der Journalistenausbildung im Land, die verändert und verstärkt gehört.

Vilimsky: Im Prinzip ja. Wenn jedoch die Boulevardisierung am heimischen Medienmarkt voranschreitet und auch den ORF weiter erfasst, wird es notwendig sein, die Gesetzeslage nachzuschärfen und zu präzisieren.

Westenthaler: Bilder von Familienangehörigen - noch dazu Kindern - ungefragt auf eine Titelseite zu knallen, wie im Fall Fritzl geschehen ist sicher eine Grenzüberschreitung die massiv geahndet werden soll. Generell wäre aber vor einer strafrechtlichen Regelung der Versuch einer medieninternen Schiedsinstanz mit klaren Strafmöglichkeiten zu bevorzugen.

---> Pläne für einen Presserat

STANDARD: Was halten Sie von den Plänen der Journalisten und Verleger, im Herbst wieder einen Presserat ins Leben zu rufen?

Cap: Ich bin überaus erfreut, dass sich auf diesem Gebiet nach jahrelangem Stillstand wieder etwas tut. Gerade im sensiblen Bereich der Pressefreiheit können Selbstregulierungsmechanismen einen entscheidenden Beitrag zu mehr Fairness und Toleranz liefern. Ich hoffe daher, dass die Neuaufstellung des Presserates auch von einer möglichst breiten Basis der Herausgeber und Verleger getragen sein wird.

Ich finde zudem, dass die kürzlich im Parlament stattgefundene parlamentarische Enquette hier sehr interessante Vorschläge hervorgebracht hat - wie zB die Einbeziehung von Opfervertretern. Der neue Presserat sollte jedenfalls keine Alibieinrichtung werden. Zudem plädiere ich im Zeitalter des Internet für eine Erweiterung auf einen Medienrat.

Morak: Die Einigung zwischen Verleger und Journalisten zur Einrichtung eines neuen Presserates war überfällig und ist sehr zu begrüßen.

Schennach: Das ist prinzipiell richtig und wichtig. Der Presserat sollte eigens budgetär vom Bund dotiert werden und bei einer künftig unabhängigen Medienbehörde organisatorisch angebunden sein. Dadurch erhöht sich die Verpflichtung. Es muss bei diesem Presserat neu jedoch von Beginn an geachtet werden, dass es sich hier nicht um einen zahnlosen Tiger handelt.

Der Gesetzgeber kann hier vorsehen, dass etwa bestimmte Förderungen an eine "weiße Weste" gebunden sind. Dies gibt es in anderen Förderungsbereichen auch. Aber die Selbstkontrolle der Branche und der Kampf um Medienethik ist so unendlich wichtig, dass diese Ankündigung nur zu begrüßen ist.

Vilimsky: Eine Idee, die zu begrüßen ist, wenn die Zusammensetzung eine von politischen Einflüssen freie ist.

Westenthaler: Der Presserat ist schon einmal kläglich gescheitert. Wenn sich die zu Kontrollierenden selbst kontrollieren, dann ist der erneute Misserfolg vorprogrammiert.