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Ungleiches Paar: Mentor und Mentee

Sie fand einen Job, er neue Denkanstöße: Marta Csik mit Mentor  Volker Buchegger (v.li)

"Gesucht: Bulgarischer Marinesoldat, für sofortigen Arbeitsantritt im Raum Wien." Wer solche Ansprüche hat, wird auf den richtigen Jobkandidaten lange warten müssen. Könnte man zumindest annehmen – denn Christian Schifter gelang es trotzdem. Über ein Mentoring-Programm, das arbeitslose Zugewanderte mit heimischen Gewerbetreibenden zusammenbringt, lernte der Österreich-Chef eines internationalen Yachtversicherungsunternehmens den gerade arbeitslosen Herrn Dontcho Dontchev kennen.

Offizier ohne Job

Dontchev kommt aus Bulgarien. Als Marineoffizier kann ihm in Sachen Schiffstechnik und Nautik niemand so schnell etwas vormachen – und zwar weder auf Deutsch, noch auf Bulgarisch, Russisch oder Englisch. Für die Verkaufsgespräche mit KundInnen am Schwarzen Meer ist das ein entscheidender Vorteil. "Übers AMS hätte ich so einen Mitarbeiter nie gefunden", glaubt Schifter.

Führungskräfte, die sich bereit erklären, jemand anders als MentorIn zur Verfügung zu stehen, taten das bisher meist, um eine Ader für Idealismus oder ihr Image zu pflegen. Immer mehr setzt sich aber auch in Europa die Kenntnis durch, dass es durchaus "harte" Argumente gibt, ein Mentoringverhältnis einzugehen.

Gut ausgebildet

Ein Beispiel: der viel beklagte Fachkräftemangel. "Bei unserem Mentoringprogramm hatten die Migranten fast durchwegs eine bessere Ausbildung als die Führungskräfte – inklusive mir", erzählt Schifter, der bei einem Projekt der Wirtschaftskammer Wien und des Integrationsfonds mitgemacht hat. Bei einem solchen Sample stehen die Chancen, auf potenzielle MitarbeiterInnen zu stoßen, schon einmal nicht schlecht.

Dazu kommt, dass alle Mentees über Fremdsprachenkenntnisse verfügten, die Österreichs exportorientierte Wirtschaft schwer nötig hat, aber über die herkömmlichen Personalvermittlungen nicht immer findet. "Hierzulande ist es nicht leicht, an jemanden heranzukommen, der Bulgarisch kann", sagt Schifter. Beim Mentoringverhältnis haben MentorIn und Mentee zudem ausreichend Zeit, um einander kennenzulernen – und festzustellen, ob aus der Kurzzeitbeziehung eine längere Zusammenarbeit werden kann.

Tipps nicht nötig

Volker Buchegger hatte zwar keinen Job zu besetzen. Trotzdem war auch seine Entscheidung, Mentor zu werden, keine ganz selbstlose. Buchegger ist Unternehmensberater – und als solcher gehört es auch zu seinen Aufgaben, Mentoringprozesse in Unternehmen zu begleiten. Was lag also näher, als es selbst auszuprobieren. Und obwohl Buchegger langjährige Coachingerfahrung hat, erlebte er beim Mentoring etwas, was er als "unheimlich wichtige Erfahrung" bezeichnet: Er, der es sonst gewöhnt ist, ManagerInnen gute Tipps zu geben, musste plötzlich erkennen, dass seine Ratschläge gar nicht gefragt waren: Sein Mentee, die 29-jährige Marta Csik, sei "enorm selbstständig" gewesen.

"Es war einfach nur wichtig, dass ich da war und zugehört habe." Darüber hinaus aktiv zu werden und "den Mentee führen zu wollen, das hätte nur geschadet. Ich habe gelernt, mich zurück zu nehmen." Mit seiner Begleitung habe Csik einen Job gefunden – und Buchegger zu neuen Einsichten. "Wir beschäftigen uns viel mit interkultureller Theorie." Beim Mentoring durfte er die Praxis erleben - kostenlose Weiterbildung quasi. 

Neuer Durchgang

Schifter und Buchegger sind schwer beschäftigte Firmenchefs. Dennoch werden beide auch im nächsten Durchgang des Migrantenmentorings wieder mitmachen. "Hier gibt es Leute, die Qualifikationen haben, und nicht an Jobs kommen, weil ihnen die Netzwerke fehlen", meint Schifter. "Aber wir alle wissen, dass die Wirtschaft Fachkräfte braucht. Ich will nicht nur jammern, sondern den Parteien zeigen, dass man etwas bewegen kann." (Maria Sterkl, derStandard.at, 18.9.2008)