Wien - Nicht nur heimische Versicherer, sondern auch private Geldinstitute sind in Österreich von den Schwierigkeiten der US-Investmentbank Lehman Brothers betroffen. Das "Wirtschaftsblatt" nannte am Mittwoch die Constantia Privatbank, die Fondsgesellschaft C-Quadrat sowie die M&A Privatbank, die allesamt die US-Bank als Garantiegeber für mehrere ihrer Produkte eingesetzt hatten.
Am stärksten involviert ist demnach die Constantia Privatbank. Deren Geschäftsführerin Elisabeth Staudner bezifferte das betroffene Geldvolumen mit rund 35 Mio. Euro - nach den Kursrückgängen. Die Anleger könnten derzeit aus drei Constantia-Produkten nicht aussteigen, weil die zu Grunde liegenden Lehman-Anleihen nicht gehandelt werden.
Bei C-Quadrat und der erst im Juli von der Fondsgesellschaft übernommenen M&A Privatbank wirkte sich das Lehman-Desaster laut "Wirtschaftsblatt" weniger schwerwiegend aus.
Wie berichtet sind auch Versicherungsprodukte von Allianz, Generali, Wüstenrot und Nürnberger Versicherung von der beinahe-Pleite der US-Investmentbank betroffen.
Uniqa und VIG betroffen
Laut einem Bericht der "Presse" sollen auch die Uniqa und die Wiener Städtische (Vienna Insurance Group, VIG) Beträge in zweistelliger Millionenhöhe in Anleihen der insolventen US-Bank Lehman Brothers investiert haben. Außerdem haben die Häuser beide ein "limitiertes" Exposure zu dem krisengeschüttelten US-Versicherungsriesen American International Group (AIG), so die Zeitung. UNIQA bestätigt indirekt, von der VIG gibt es keinen Kommentar.
Die Wiener Städtische und die Uniqa haben zwar - wie andere heimische Versicherungen - keine Lebensversicherungen verkauft, bei denen Lehman als Garantiegeber fungiert. Es bestehen aber andere Verflechtungen mit der US-Bank und der angeschlagenen AIG, der die US-Notenbank Fed nun bis zu 85 Mrd. Dollar (59,6 Mrd. Euro) leiht.
Die Uniqa soll laut "Presse" Anleihen im Wert von 40 bis 50 Mio. Euro bei Lehman besitzen. "Einen dreistelligen Millionenbetrag dementieren wir", sagte ein Sprecher. Über die genaue Höhe des Betrags werde allerdings keine Auskunft gegeben. "Im Sinne eines international gestreuten Kapitalanlage-Portefeuilles hat Uniqa in unterschiedlichen Assetklassen auch Lehman-Positionen", so Uniqa-Generaldirektor Konstantin Klien in einer Stellungnahme am Mittwoch. Dieses Exposure sei allerdings "sehr begrenzt und zum großen Teil erstrangig". Genauere Angaben wurden nicht gemacht.
Die Wiener Städtische soll laut "Presse" dem Vernehmen nach 60 bis 70 Millionen Euro in Anleihen bei Lehman investiert haben. "Ich kann das weder dementieren noch bestätigen", sagte eine Sprecherin. Auch zu den Verbindungen mit AIG gab es keinen Kommentar. "Wir haben einige Geschäftsbeziehungen zu AIG im Bereich von Garantieprodukten und in der Rückversicherung", sagte VIG-Generaldirektor Günter Geyer zur "Presse".
Keine engen Beziehungen zu AIG
Die Uniqa habe zur AIG "keine engen Beziehungen, die über das übliche Maß einer international verflochtenen Wirtschaft hinausgehen", hieß es in der Stellungnahme. Das direkte Exposure von Uniqa bei AIG sei nicht nennenswert. Der Versicherer konzentriere sich auf Europa und arbeite primär mit europäischen Erst- und Rückversicherern zusammen. Daher gebe es "praktisch keinen direkten Einfluss der AIG-Krise" auf Uniqa. Allgemeine Auswirkungen auf die gesamte Branche - etwa über Rückversicherungsbedingungen - könne man "natürlich nie" ausschließen.
Die AIG ist auch in verschiedenen osteuropäischen Ländern mit kleineren und größeren Unternehmen aktiv. Würde sich AIG aus CEE zurückziehen, würde sich die Uniqa diese Gesellschaften "genauer ansehen", so ein Sprecher. Noch gebe es aber keine Signale seitens des US-Riesen. Die Uniqa sei aber "grundsätzlich auch zu Zukäufen in dieser Region bereit", sagte Klien laut Stellungnahme. Stimmen müsse aber der Preis, die strategische Kompatibilität und das Potenzial. "In letzter Zeit waren die Preise schlicht und einfach zu hoch, und es war vernünftiger, statt in Akquisitionen in organisches Wachstum zu investieren", so Klien.
Die Generali unterhält laut einer Sprecherin "gar keine" Geschäftsbeziehungen zur AIG. Von der US-Finanzkrise sei nur 2.000 Lebensversicherungen betroffen, bei denen die insolvente US-Bank Lehman Brothers Kapitalgarantiegeber ist. Das Volumen der Tranche beträgt rund 40 Mio. Euro. Welche Auswirkungen dies auf das Versicherungshaus und auf die Kunden hat, werde momentan geprüft. Momentan bestehe aber kein Handlungsbedarf.
Allianz
Ebenfalls "keinerlei Geschäftsbeziehungen" zu AIG hat die Allianz Österreich. Auch zu Lehman Brothers gebe es außerhalb des Garantieprodukts "Top Invest V", das etwa 1.000 Kunden gekauft haben, keine Verbindungen, hieß es. Der deutsche Allianz-Konzern wollte vor einigen Tagen laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg bei AIG einsteigen.
Bei der Nürnberger Versicherung AG "gab und gibt es keine Geschäftsbeziehungen zu AIG", sagte ein Sprecher. Der Verkauf einer Lebensversicherung mit Lehman Brothers als Garantiegeber war rechtzeitig gestoppt worden. Ansonsten habe die Nürnberger keinerlei Verbindungen zu der US-Bank, "weder im Bereich Rückversicherungen noch auf Produktseite oder bei Anleihen", so der Sprecher. Momentan habe die Versicherung drei weitere Garantieprodukte auf dem Markt. Garantiegeber seien aber eine holländische, eine französische und eine österreichische Bank. Über die Auswirkungen der US-Finanzkrise lasse sich zur Zeit noch nichts sagen.
Wüstenrot
Auch Wüstenrot hat bei Lehman Brothers investiert. Anfang 2007 hat die Versicherung Anleihen im Wert von rund 20 Mio. Euro an der nun insolventen US-Bank erworben, sagte Wüstenrot-Vorstandsvorsitzender Helmut Geier am Mittwoch. Außerdem ist der angeschlagene US-Versicherungsriese American International Group (AIG) Garantiegeber bei der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge von Wüstenrot. "Wir haben die Sache gut im Griff", beruhigte Geier.
Rund 1.500 Kunden haben zwischen Juli und August 2008 das Einmalerlagsprodukt "Tarif 197" gekauft. Das Gesamtvolumen der Tranche beträgt laut Geier nun etwa 16. Mio. Euro (am Montag war noch von 19 Mio. Euro die Rede). Wüstenrot hat noch eine dritte Tranche im Wert von rund 15 Mio. Euro bestellt. Diese wird aber nun nicht vertrieben. Über die Auswirkungen auf die 1.500 Versicherungsnehmer konnte Geier noch nichts sagen. In Kürze werde es diesbezüglich Gespräche mit der Finanzmarktaufsicht geben (FMA).
Für Ende des Jahres rechnet Geier mit einer Wertberichtigung von 27,3 Mio. Euro. "Die Beträge sind aber gedeckt", so Geier. In der Bilanz werde die US-Finanzkrise "keine extremen Spuren" hinterlassen. "Lehman haben wir als Versicherung hinter uns", gab er sich zuversichtlich.
Neben den Lehman-Anleihen hat Wüstenrot auch noch bei anderen US-Investmenthäuser wie Goldman Sachs oder Bank of America investiert. Man habe die Situation aber gut unter Kontrolle, so Geier. Momentan vermeide Wüstenrot Investments von langer Dauer.
RZB
Die Raiffeisen Zentralbank Österreich (AG) ist in der Causa Lehman Brothers mit einer Netto-Risikoposition von 252 Mio. Euro betroffen. Dies gab das Spitzeninstitut des Raiffeisen-Geldsektors am Mittwochnachmittag bekannt.
Die RZB halte Lehman-Bonds und sei daher von den Auswirkungen der Insolvenz der viertgrößten US-Investmentbank "direkt betroffen". Bei den 252 Mio. Euro Netto-Risikoposition handle es sich fast ausschließlich um Anleihen im Senior Rang.
Gemessen an der Bilanzsumme von 159,2 Mrd. Euro per 30. Juni erreicht das Lehman-Exposure der RZB eine Größenordnung von 0,16 Prozent. Der Gewinn vor Steuern der RZB Group betrug im ersten Halbjahr 879 Mio. Euro.
Für die Lehman-Bonds, die derzeit mit zirka 60 Prozent Abschlag bewertet werden, gehen Finanzexperten davon aus, dass am Ende doch nicht mehr als 40 Prozent Minus übrig bleiben werden.
Bawag P.S.K
Eine Sprecherin der Bawag P.S.K. betonte am Mittwoch, dass weder Bawag noch P.S.K. über Bonds oder Kredite bei Lehman Brothers engagiert seien. Als Geldinstitut, das auf den österreichischen Markt fokussiert sei, könne man auch alle Kredite selbst refinanzieren.
Auch bei der Volksbanken AG rechnet man wegen der US-Finanzkrise mit der Notwendigkeit einer Wertberichtigung. Im schlimmsten Fall - also einer Insolvenz der Lehman Brothers - wäre das laut Volksbank-Sprecher Walter Gröblinger ein Betrag von 50 Mio. Euro. (APA)