Roni Hammermann, Friedensaktivistin von MechsomWatch, hält die Checkpoints der israelischen Armee für eine wirksame Methode die Palästinenser zu kontrollieren. Gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen ünerwacht sie die Einhaltung der Menschenrechte an den Kontrollpunkten.

Foto: derStandard.at/Kampl

Bild nicht mehr verfügbar.

Checkpoint.

Foto: AP/Bernat Armangue

Kranke können nicht weitertransportiert werden, Hochzeiten müssen verschoben werden, weil der Bräutigam oder die Braut bei einem Checkpoint festsitzen. Das sind nur einige Szenen, die Roni Hammermann und ihre Mitstreiterinnen der israelischen Menschenrechtsorganisation MachsomWatch (Machsom ist Hebräisch für Checkpoint, Anm.) beobachten konnten. An den Checkpoints kontrolliert die israelische Armee die Übergänge innerhalb der Westbank und zwischen der Westbank und Israel, erzählt Hammermann im Gespräch mit derStandard.at.

Seit 2001 machen es sich die Frauen zur Aufgabe, über die Einhaltung von Menschenrechten an den Checkpoints zu wachen. Zu zweit oder zu dritt stellen sie sich in den Stoßzeiten - also in der Früh oder am Nachmittag - zu den Grenzübergängen. Sie wollen so nah wie möglich an die Soldaten kommen, um mitzubekommen wie der Kontrollvorgang gehandhabt wird.

Ihre wichtigste Aufgabe sehen die Frauen aber darin in der Dokumentation ihrer Arbeit. Auf ihrer Website ist nachzulesen, was an einem bestimmten Checkpoint an einem bestimmten Tag geschehen ist. Anfang September bekam MachsomWatch den Aachener Friedenspreis verliehen. Dieser Preis geht an Einzelpersonen oder Organisationen, die laut Gründungserklärung von "unten her" dazu beigetragen haben, der Verständigung der Völker und der Menschen untereinander zu dienen sowie Feindbilder ab- und Vertrauen aufzubauen. 

***

derStandard.at: Was war für Sie der Auslöser für die Gründung von MachsomWatch?

Roni Hammermann: Im Jahr 2001 habe ich in einem Artikel gelesen, dass eine Frau bei einem Checkpoint entbinden musste. Das war für mich ein Erdbeben. Ich habe mir die Frage gestellt, was das für Plätze sind, an denen Frauen nicht rechtzeitig ins Spital kommen. Offenbar haben noch einige andere Frauen in diese Richtung gedacht und dann haben wir eine Menschenrechtlerin getroffen, die in Mexiko und Guatemala Grenzarbeit geleistet hat. Sie hat gemeint, wir könnten uns einmal anschauen was auf den Checkpoints los ist. Anfangs waren wir fünf, sechs Frauen - heute sind wir an die 300. Begonnen haben wir in Jerusalem, dann hat es sich auf das ganze Land ausgebreitet.

derStandard.at: Welche Menschenrechtsverletzungen passieren an den Checkpoints?

Hammermann: Man muss sich vor Augen halten, dass 85 Prozent der Checkpoints innerhalb der besetzten Gebiete liegen. Sie trennen Palästinenser von Palästinensern und nicht Israelis von Palästinensern. Diese Tatsache ist ein eindeutiger Verstoß gegen die Menschenrechte - das Recht auf Bewegungsfreiheit wird eingeschränkt. Die Checkpoints beeinflussen das Leben der Palästinenser in allen Bereichen. Es gibt keinen Palästinenser, der nicht durch einen der Checkpoints muss. Sei es, wenn er zur Schule, zum Arzt, zur Bank muss oder einen Besuch macht. Es ist eine wirksame Methode die Palästinenser zu kontrollieren.

derStandard.at: Nach israelischer Argumentation dienen die Checkpoints der Sicherheit des Landes, indem sie zum Beispiel Selbstmordanschläge verhindern?

Hammermann: Vorgeblich sind die Grenzübergänge zwar zur Sicherheit Israels aufgebaut. Aber die Mehrzahl der Checkpoints dient dazu, Palästinenser von Palästinensern zu trennen. Diese Checkpoints haben nichts mit der Sicherheit Israels zu zun. Ein Selbstmordattentäter wird auch nicht Checkpoints benutzen, um nach Israel zu gelangen, sondern versuchen um sie herum zu kommen. Es gibt keinen Checkpoint, den man nicht umgehen kann, wenn man jung, kräftig und motiviert ist.

Allerdings haben die Checkpoints sehr viel mit der Sicherheit der jüdischen Siedler in der Westbank zu tun. Wir sind der Meinung, dass diese Siedlungen abgebaut werden müssen. Die Siedlungen sind die Ursünde für alles was sich in den besetzten Gebieten abspielt. Wenn es sie nicht gäbe, wären auch die Checkpoints nicht notwendig. Die Checkpoints im Inneren der besetzen Gebiete sind kontraproduktiv. Sie erzeugen sehr viel Hass.

derStandard.at: Sehen Sie die Möglichkeit eines Israelischen Abzugs aus der Westbank?

Hammermann: Im Augenblick sieht es sehr schlecht aus. Die Regierung Olmert ist derzeit nicht handlungsfähig.

derStandard.at: Wird sich das mir der neuen Partei- und Regierungschefin Zipi Livni ändern?

Hammermann: Man soll sich keine großen Hoffnungen machen. Sie ist eine sehr rechtsradikale Frau. Sie ist kein friedensbewegter Engel. Außerdem ist das Problem in Israel immer die Regierungskoalition. Ohne die Unterstützung der rechten Parteien ist es schwierig eine Regierung zu gründen. Aber wir haben auch nicht geahnt, dass die Berliner Mauer eines Tages fallen wird. Grundsätzlich sehe ich aber wenig Aussicht auf Besserung. Das Palästinenserland ist durch Straßen, Siedlungen und Checkpoints zerrissen. Man fragt sich, wo da ein Palästinenserstaat entstehen soll. Aber mit rigoroser internationaler Kontrolle ist alles machbar. Wir haben in Gaza gesehen, dass das möglich ist.

derStandard.at: Geben sie dem Friedensprozess von Anapolis noch eine Chance?

Hammermann: Der ist total eingeschlafen. Und hat auch nicht wirklich etwas zu bieten gehabt. Dort wurde im November 2007 beschlossen, den Siedlungsbau zu stoppen - tatsächlich hat sich laut einem Bericht der israelischen NGO PeaceNow die Bautätigkeit verdoppelt. Von einem Siedlungsstopp kann nicht die Rede sein.

derStandard.at: Wie wird MechsomWatch in der israelischen Öffentlichkeit wahrgenommen?

Hammermann: Eher negativ. Wir werden als Verräterinnen, als Nestbeschmutzerinnen bezeichnet. Ein rechtsextremer Knesset-Abgeordneter will sogar ein Gesetz verabschieden, das uns verbietet an den Checkpoints zu stehen. Es ist eine lächerliche Sache, aber es zeigt, wie sehr wir angefeindet, aber doch auch gefürchtet werden.

derStandard.at: Welchen Hintergrund haben die Frauen bei MechsomWatch und mit welcher Motivation engagieren sie sich?

Hammermann: Das ist natürlich unterschiedlich. Es gibt Frauen, die Kinder in der Armee gehabt haben oder derzeit haben. Dann ist es für sie wahnsinnig zentral, dass sich diese jungen Menschen "anständig" benehmen. Für manche ist es die Empörung über die Menschenrechtsverletzungen.

derStandard.at: Wie reagieren die Soldaten auf Ihre Anwesendheit?

Hammermann: Sehr verschieden. Aber grundsätzlich sind sie in einem großen Dilemma: Wir sehen aus wir ihre Schwestern, Mütter oder Großmütter, wir sprechen Ihre Sprache, kommen vielleicht aus derselben Gegend. Wir gehören zu ihnen - aber dann doch nicht. Denn wir protestieren gegen die Checkpoints und die Soldaten haben große Schwierigkeiten das zu verstehen. Ihnen wurde eingebläut, dass sie zu unserer Sicherheit dort stehen. (mka, derStandard.at, 17.9.2008)