Spendenaufrufe ergehen fast täglich. Ob für Opfer von Erdbeben oder Hurrikane, kranke Kinder oder sonst in Not geratene Menschen. Spenden ist auch en vogue geworden - Stars glänzen bei großen Charity-Galas und sprechen gerne über ihr soziales Engagement.
Bedeutet spenden aber wirklich noch helfen? Was geschieht mit dem Geld, dass man Hilfsorganisationen zukommen lässt? Wirken Spenden? Und wie funktionieren und animieren Spendenorganisationen? Das sind Fragen, mit denen sich Alexander Glück in seinem Buch Der Spendenkomplex auseinandersetzt.
Glück hat selbst einem Hilfswerk für rumänische Kinderheime zugearbeitet und so seine Erfahrungen im Spendenwesen gemacht. Er beschreibt die Wechselwirkung zwischen Spendengeber und -einsammler.
Als "Verwalter des Mitgefühls" bezeichnet Glück Organisationen, die es in den vergangenen Jahren perfektioniert haben, den Menschen Spenden aus ihrer Tasche zu ziehen. Der Trend zur Ökonomisierung, Mediatisierung, Inszenierung und Dramatisierung nehme bei NGOs zu. Das Einsammeln von Spenden wurde in den vergangenen Jahren professionalisiert - und das verursache auch Kosten. Daher fließe mittlerweile ein gehöriger Anteil der Spenden in Werbung und Verwaltung: also in Büromieten, Werbefirmen, Druckaufträge, Portokosten - nicht zu vergessen das Gehalt der Mitarbeiter.
Mit dem Gefühl, persönlich eh nicht viel am Leid anderer verändern zu können, öffnen Spender gerne ihre Geldbörsen. Und das Potenzial der Spender ist enorm. Allein in Deutschland gehe es um einen Markt von geschätzten 2,5 Milliarden Euro, die Jahr für Jahr gespendet werden - und das auch, weil einem suggeriert wird, mit einer Spende könne man sein Gewissen erleichtern.
"Der Freikauf aus der Unvollkommenheit des Normalbürgers einer Industrienation führt übers Spendenkonto" , schreibt Glück und fordert Geldgeber auf, Hilfsorganisationen kritischer zu beleuchten. Allein die 39 größten Vertreter der Hilfsorganisationen in Deutschland verfügten 2003 über Spendengelder in der Höhe von 1,1 Milliarden Euro - doch nicht einmal die Hälfte der Charity-Giganten legte Rechenschaft über die Verwendung dieser Mittel ab. (bpf, DER STANDARD, Print-Ausgabe,18.9.2008)