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Punktesieg für Medienzar Aydin Dogan.

Foto: AP/Murad Sezer

Seit knapp zwei Wochen tobt in der Türkei eine Auseinandersetzung zwischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan und dem wichtigsten Medienzar des Landes, Aydin Dogan. Während Erdogan dem Besitzer der Dogan Holding mit ihrem Flaggschiff Hürriyet vorwirft, der Tycoon wolle ihn mit seiner Berichterstattung in seinen Medien "erpressen", werfen die Dogan-Medien der Regierung vor, sie wolle den letzten großen Pressekonzern des Landes, der nicht dem unmittelbaren Einfluss der Regierung unterliege, mundtot machen.

Die Auseinandersetzung hatte ihren Ausgangspunkt in einem Prozess in Frankfurt. Dort standen drei türkischstämmige Männer als Verantwortliche der Wohltätigkeitsorganisation Leuchtturm e.V. vor Gericht, die alle drei gestern wegen Betrugs und Unterschlagung verurteilt wurden, der Hauptangeklagte zu mehr als fünf Jahren. Der Prozess sorgte in der Türkei für große Aufregung: als gigantischer Korruptionsskandal, in den mehrere regierungsnahe Organisationen und womöglich Erdogan persönlich verwickelt sind.

Die deutsche Staatsanwaltschaft hat den Leuchtturm-Verantwortlichen nachgewiesen, dass sie von gesammelten 42 Millionen Euro mindestens 18 Millionen Euro in dunkle Kanäle im Umfeld der türkischen Regierungspartei AKP geleitet hatten. Leuchtturm e.V. ist die Tochtergesellschaft einer gleichnamigen international tätigen türkisch-islamischen Wohltätigkeitsorganisation, die personell eng verknüpft mit der AKP ist.

Nachdem Hürriyet und andere Dogan-Medien groß über den Fall berichteten, brach der Sturm los. Erdogan warf Aydin Dogan vor, er wolle sich mit seiner Berichterstattung dafür rächen, dass ihm bei verschiedenen Projekten (wie der Neubebauung des Hilton-Geländes in Istanbul, der Lizenz für einen weiteren TV-Kanal und dem Zuschlag für einen Raffineriebau am Mittelmeer) die Erlaubnis verweigert worden war. Dogan ließ in allen seinen Blättern seitenlange Gegendarstellungen drucken.

Die gesamte veröffentlichte Meinung der Türkei formierte sich pro oder kontra Dogan. Hürriyet brachte fast täglich eine neue Titelgeschichte, zuletzt noch einen echten Coup: Erdogan soll sich persönlich beim deutschen Botschafter für die in U-Haft sitzenden Leuchtturm-Manager eingesetzt haben.

Der Schlagabtausch endete gestern mit der Verurteilung in Frankfurt mit einem Punktesieg für Dogan. Erdogan, als großer Kämpfer gegen die Korruption gewählt, hat erstmals Flecken auf seiner weißen Weste. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 18.9.2008)