Clarina Bezzola am Selbstausdärmen.

Foto: Antje Wachs

Wien - Das 21.Jahrhundert und die Performance mögen einander nicht. Selbstentäußerung ist ein TV-Format für den Nachmittag, und Zerreißproben sind auch schon ganz lange wieder fixer Bestandteil jedes Amateurpornos. Am Schluss ihrer Aufführung in der Kunsthalle Wien war auch Clarina Bezzola nackt.

Anfangs war sie dick, gefangen in einem ganz furchtbar stöhnen machenden Filzkörper, den abzuspecken es dann eine gute Stunde lang galt, was allerhand schöne Bilder mit sich brachte: Wenn handgenähte Speckschwarten aus den dicken Waden gerissen, wenn liebevoll abgesteppte Gedärme betont brachial zur Körperflucht getrieben werden, wenn ausgeweidet wird, dann seinstaumelt unser Aktionistenherz, dann fühlt das Publikum sich ganz traditionell so, als wär es selbst Akteur, als wär es leibhaftig auf der Bühne.

Um dort dann zu zeigen, was es so lange schon geübt hat: Singen zum Beispiel oder Leiden oder Sich-in-den-Spiegel-Schauen. Es spielt dann Auftritt, gibt den Sänger ganz so zum Besten, wie es sich Sänger schon immer vorgestellt hat, mimt Schmerz so, dass es wirklich wehtut. Und schon wird aus einer Performance Theater. Und dort gibt es nicht umsonst Dramaturgen, Regisseure und Schauspieler, Handwerker, deren Fertigkeiten sich Clarina Bezzola nicht bedient. Alles, was immer es zu tun gibt, packt sie selbst an, spielt Performance, stellt die Helden des Genres nach, simuliert das gründend Zwingende, erklärt, was offensichtlich ist. Performance ist ihr Übung in Didaktik, eine Gelegenheit, alles zu sagen. Auf dass da keine Missverständnisse aufkommen, auf dass da endlich kein Platz mehr ist für Interpretationen. (mm, DER STANDARD/Printausgabe, 18.09.2008)