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Eltern stürmen die chinesischen Krankenhäuser: Mit Ultraschall wird - im Bild ein Spital in der Stadt Wuhan - geklärt, ob ihre Kinder durch die Babynahrung Nierensteine bekommen haben

Foto: APA/ D.WONG

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5000 Inspektoren sollen künftig die Produktion von Milchpulver vor Ort überwachen

Foto: China Photos/Getty Images

Mehr als 6000 Kinder sind durch ein mit einer Chemikalie verseuchtes Milchpulver erkrankt, drei starben. Die chinesische Regierung hat alle Babynahrungshersteller unter staatliche Aufsicht gestellt. Im Skandal um verseuchtes Babymilchpulver hat die chinesische Polizei am Donnerstag zwölf weitere Personen in der Provinz Hebei festgenommen. Damit befinden sich insgesamt 18 Personen in Haft, wie ein Sprecher der Provinzpolizei mitteilte. Von Johnny Erling aus Peking

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Peking hat nach der Aufdeckung tausender neu gemeldeter Fälle schwerer Nierenerkrankungen bei Säuglingen und nach drei an Nierensteinen gestorbenen Babys alle Hersteller für Babynahrung unter staatliche Zwangsaufsicht stellen lassen.

Produktion soll überwacht werden

5000 Inspektoren sollen in 109 Milchkonzernen des Landes die Produktion von Milchpulver vor Ort überwachen, sagte Chinas höchster staatlicher Qualitätskontrolleur Li Changjiang am Dienstag vor der Presse. Die Behörden hatten die dramatische Maßnahme, wie sie einst nur in planwirtschaftlichen Zeiten möglich war, auf einer eilends einberufenen Krisensitzung beschlossen. Sie reagierten damit auf die katastrophalen Ergebnisse einer zweitägigen Blitzuntersuchung. Bei insgesamt 22 verschiedenen Herstellerfirmen oder jedem fünften Produzenten von Milchpulver in China wurde die giftige Chemikalie Melamin in der Babynahrung nachgewiesen.

Kriminelle Gift-Zugabe

Weil Melamin hilft, einen hohen Proteingehalt vorzutäuschen, können sich kriminelle Milchpulver-Hersteller durch die Zugabe von Melamin bereichern. Sie können dank des Zusatzstoffes die teure Milch mit Wasser verdünnen, ohne dass es Lebensmittelkontrolleuren auffällt. Zu den Beschuldigten gehören neben dem inzwischen geschlossenen Sanlu-Milchkonzern, dessen Vorstandschefin Tian Wenhua verhaftet wurde, auch weitere Großunternehmen der Milchbranche in China wie Mengniu oder Yili.

Exportierte Babynahrung und Melamin-Eis

Verseuchtes Milchpulver gelangte auch in den Export nach Südostasien und Afrika. Guandongs Milchfirma Yashili und Qingdaos Suokang müssen seit gestern ihre nach Bangladesch, Burma, Jemen, Burundi und Gabun gelieferte Babynahrung zurückrufen lassen.In Hongkong wurde ein in China hergestelltes Eis zurückgerufen, weil es ebenfalls Melamin enthielt. Pekings Untersuchungsbehörden betonten, dass keines der Milchprodukte, die an das Olympische Dorf geliefert wurden, belastet gewesen sei.

Nierensteine und Nierenversagen

Chinas Gesundheitsminister Chen Zhu sagte auf der vom Fernsehen live übertragenen Pressekonferenz, dass sich die Zahl der an Nierensteinen leidenden Babys auf 6244 Fälle verdreifacht hat. 1327 Säuglinge wurden Mittwochfrüh noch stationär behandelt. 158 darunter litten an akutem Nierenversagen. Chen rief die Krankenhäuser auf, sich auf einen weiteren Ansturm von Eltern mit ihren Säuglingen vorzubereiten, nachdem von allen Zeitungen die Liste der 22 Milchunternehmen veröffentlicht wurde, die mit Melamin gepanscht hatten. Der Gesundheitsminister forderte zugleich Chinas Kinderärzte auf, die Hilfe für kranke Säuglinge zur ihrer "derzeit dringlichsten medizinischen Aufgabe" zu machen. (Johnny Erling aus Peking/DER STANDARD Printausgabe 18.9.2008)