Wien - Die Straßen sind zugestellt mit Dreieckständern, Riesengrinser hängen auf Riesenplakaten, im Fernsehen wird munter konfrontiert - und was sagt die Wählerschaft zu all dem? Die Spaßguerilla wehrt sich im Internet durch verfremdete Konterplakate, der Rest ist vor allem genervt vom Wahlkampf - diesem Wahlkampf -, zeigt eine neue Studie der Karmasin Motivforschung, für die diese Woche 400 repräsentativ ausgewählte Personen ab 16 befragt wurden.

Die Meinungen zum laufenden Wahlkampf seien überwiegend negativ, erklärt Studienleiterin Sophie Karmasin im Standard-Gespräch. 71 Prozent der Befragten haben ausschließlich negative Assoziationen zum Wahlkampf (Entsetzen, Grausen, Wut, Polittheater, chaotisch, alles Lügner, leere Versprechungen). Für 29 Prozent davon ist die vorgezogene Wahl "unnötig, überflüssig" , sie meinen, "dass dabei nichts rauskommt" .

Das deute auf eine "alarmierende Politik- und Wahlkampfmüdigkeit in der Bevölkerung hin" , warnt Sophie Karmasin vor einer niedrigen Wahlbeteiligung und weist auf ein weiteres Ergebnis der Studie hin: "Bemerkenswerte 80 Prozent beklagen auch eine Visionslosigkeit der Politiker, die ihrer Meinung nach zu sehr auf kurzfristige Agenden setzen." So ist die Zahl derer, die sich durch die vielen Vorschläge der Parteien irritiert fühlen, in einer Woche um sechs Prozent auf 61 Prozent gestiegen.

Es gibt also einen enormen Bedarf an Information statt an Irritation. Karmasin hat dazu die Bedeutung der Kommunikationskanäle für die Wahlentscheidung abgefragt. Vorn liegen Zeitungen und andere Printmedien (47 Prozent) sowie im Speziellen TV-Konfrontationen (45 Prozent) und im Allgemeinen Info-Sendungen im Radio und Fernsehen. Ein Viertel der Befragten trifft seine Entscheidung vor allem durch persönliche Gespräche im privaten Kreis.

Die Feierabend-Politisierer

Dabei gibt es interessante Geschlechterdifferenzen: Während Frauen zu 48 Prozent TV und Radio als primäre Entscheidungsquellen nennen, tun das nur 35Prozent der Männer. Sie wiederum entscheiden sich vor allem in persönlichen Gespräche (Männer 29 Prozent, Frauen 23 Prozent). Karmasin: "Frauen orientieren sich stärker an Personen, der Männer-Wert bildet vor allem das ,Politisieren‘ am Stammtisch oder nach Feierabend ab." Bei Zeitungen als vorrangiges Entscheidungsmedium ist das Verhältnis Frauen zu Männer ausgewogen (48 Prozent, 45 Prozent).

Die Bedeutung der TV-Duelle, die den Sendern hohe Quoten verschaffen - Puls4 vermeldete für die Faymann-lose "Elefantenrunde" am Mittwochabend mit 153.000 Zusehern "Quotenrekord" -, werde durch den sehr kurzen Wahlkampf noch erhöht, sagt Karmasin. Und die vielen Plakate? Sie freuen die Funktionäre, tangieren die Wähler aber wenig: Nur sieben Prozent nennen sie wahlentscheidend. Internetseiten haben denselben Stellenwert. Noch irrelevanter für die Wahlentscheidung sind nur Wahlkampfveranstaltungen (fünf Prozent).

Eine Fessel-GfK-Erhebung von 2002 kam zu ähnlichen Ergebnissen. Die Wahlinfo-Pyramide zeigt: Postwurfsendungen könnten sich die Parteien getrost sparen, für nur drei Prozent der Wähler sind sie wahlentscheidungswirksam. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 19.9.2008)