Paris/Stockholm/Wien - Internationale Tageszeitungen schreiben am Freitag über die Wahl von Tzipi Livni zur Vorsitzenden der israelischen Kadima-Partei:

"Le Monde" (Paris):

"Manche Siege haben einen bitteren Beigeschmack. Der hart erarbeitete Erfolg von Tzipi Livni, die Parteiführung zu übernehmen, weist auf die Schwächen des politischen Systems und der Demokratie in Israel hin. Eine schwache Wahlbeteiligung und der große Einfluss der Günstlingswirtschaft könnten dazu führen, dass die Außenministerin unter schlimmsten Bedingungen zu größter Verantwortung kommt. Wenn sie es denn schafft. (...) Die israelische Demokratie ist krank. Und diese Krankheit betrifft nicht nur ein Land, das sich mit banalen Fragen wie Defizit und Finanzierung der Renten herumschlägt, sondern eine Nation, die dazu berufen ist, Frieden zu schaffen und die schmerzhaften Kompromisse auszuhalten. Dafür bräuchte es Stabilität, Klarheit und eine Legitimität - was heute jedoch nicht gegeben ist."

"Svenska Dagbladet" (Stockholm):

"Wenn alles nach Wunsch läuft für Tzipi Livni, übernimmt sie als Regierungschefin in Israel demnächst einen Job, der ihr sehr schnell Kopfschmerzen bereiten kann. Die Pläne des jetzigen Amtsinhabers Ehud Olmert für einen einseitigen Rückzug aus besetzten Gebieten strandeten, als die Hisbollah den zweiten Libanon-Krieg auslöste. Statt des Rückzuges kam es danach zum Hamas-Putsch in Gaza, der jetzt Fortschritte in der Westbank blockiert. Es wird wohl nicht lange dauern, bis das als terroristisch abgestempelte Hamas-Regime Livnis Fähigkeit zu harten Entscheidungen austestet."

"Der Tagesspiegel" (Berlin):

"In der bisherigen Koalition von Ehud Olmert rumort es. Die Partner streben auseinander, der Likud-Opposition unter Benjamin Netanyahu laufen angesichts von Hamas Drohungen und Irans Atomplänen in Scharen die Wähler zu. Der politische Wind in Israel bläst kräftig nach rechts. 42 Tage bleiben der neuen Kadima-Chefin, die nervösen Koalitionspartner unter ihre Regie zu bringen. Als erste hat schon die orthodoxe Shas-Partei klargemacht, dass sie aussteigt, wenn Tzipi Livni mit den Palästinensern über Jerusalem verhandelt. Dieser Forderung kann eine künftige Regierungschefin gar nicht nachkommen, will sie nicht jede Aussicht auf Einigung von vornherein in den Wind schreiben."

"Berliner Zeitung":

"Nicht zuletzt dank Livni haben sich die Positionen zwischen Israelis und Palästinensern in den Verhandlungen seit Annapolis angenähert. Die letzte tiefe Kluft lässt sich aber nur überbrücken, wenn der Westen entsprechend Druck macht. Immerhin, mit Tzipi Livni ist die Chance gewachsen, dass diejenigen, die einen fairen Friedensschluss wollen, in Israel künftig mehr zu sagen zu haben. Ob sie genutzt wird, entscheidet sich aber nicht allein in Jerusalem und Ramallah, sondern auch in den USA und Europa." (APA/dpa)