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Und jetzt noch Kanzler. Werner Faymann geht den Wahlkampf ohne Umschweife an.

Foto: APA/Georg Hochmuth
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Es stimmt, dieser Mann lacht und lächelt. Oft und gern. Das ist ein Wesensmerkmal von Werner Faymann. Eines, das aber nur bedingt etwas über ihn aussagt. Dieser Mann will: gefallen. Freundlich sein. Sympathisch sein. Unsicherheit überspielen. Sich durchsetzen. Sein Ziel erreichen. Gewinnen. Darum lacht und lächelt Werner Faymann. Vielleicht eine Spur zu oft und eine Spur zu heftig, und nicht immer erschließt sich einem der Kontext. Faymann sagt nicht bloß Danke. Er sagt es mehrmals und er sagt "herzlichen Dank, vielmals, alles Gute, Danke, und wenn Sie was brauchen, Sie wissen ..." Will er jetzt freundlich sein oder einen über den Tisch ziehen?

Der Eindruck kann täuschen. Faymann ist sehr bestimmt. Sonst wäre er nicht dort, wo er jetzt ist. Und er weiß in der Regel, was er will. Hilft es ihm, freundlich zu sein, ist er es und sagt Bitte. Hilft es nichts, setzt er sich ohne Bitte durch. So kennen ihn nur wenige. Und um das in der Öffentlichkeit darzustellen, hat Faymann geübt. Nur mit einem freundlichen Antlitz kommt man in der Politik nicht weit, nicht so weit. Entschlossenheit ist gefragt, Bestimmtheit, Aggressivität, Emotionen, auch Zorn und Empörung. Und das darf nicht gespielt wirken. Deshalb hat sich Faymann wie kein anderer Spitzenkandidat auf die TV-Konfrontationen im ORF vorbereitet. Er hat sich dafür mehr Zeit genommen als die anderen, und er hat die Konfrontationen geübt.

Der 47-jährige Wiener hat, verglichen mit der Konkurrenz, die geringste bundespolitische Erfahrung. Er ist erst seit vergangenem Jahr in der Bundesregierung und erst seit etwas mehr als einem Monat Parteichef. Und bisher kannte man Faymann nur als freundlich und verbindlich, als konstruktiv und konsensbemüht. Nett. Aber Weichei - in der öffentlichen Wahrnehmung. Also stand auch eine Imagekorrektur an.

Die Coaches mussten einen Faymann schaffen, der nicht nur im Hintergrund die Fäden spinnt, der über ein perfektes Netzwerk verfügt, sondern der vor den Kameras spontan auf den Tisch hauen kann, der auch ein Gfrast sein kann. So bot sich den Fernsehzuschauern ein neuer Faymann. Angriffig. Auf Augenhöhe mit den politischen Schurken Haider und Strache. Führungsqualität zeigen. Für manche Zuseher bot sich da im Fernsehen ein neuer Faymann - weil sie ihn vorher so nicht kannten oder weil sie ihn gar nicht kannten.

In Wien.

Politisch groß geworden ist Faymann in Wien. In der Wiener Sozialistischen Jugend, in der Wiener Mietervereinigung, im Wiener Gemeinderat, in der Wiener Stadtregierung. Im geschützten Bereich sozusagen. Ohne eigentliche Opposition. Die gab es zwar, aber beim Regieren blieben die Roten in Wien stets unter sich. Da musste man nicht fragen. Da wurde nicht verhandelt, da wurde ausgemacht. Und Journalisten gibt man Antworten. Fragen braucht man eigentlich keine. In Wien.
Das Ausmachen beherrschte Faymann perfekt. Und sein Netzwerk war sorgfältig gespannt. Auch in die Medien hinein, zu Hans Dichand, zu Wolfgang Fellner. Gerüchteweise war Wiens Bürgermeister Michael Häupl schon beunruhigt. Und wollte einen potenziellen Nachfolger in Wien zumindest kurzfristig loswerden: Renate Brauner oder Werner Faymann. Die Entscheidung fiel auf Faymann. Und es ist natürlich ein guter Witz, dass nicht der Wiener Bürgermeister vorzeitig seinen Nachfolger fand, sondern der SPÖ-Chef auf Bundesebene. Und jetzt wird ganz offen und direkt der Bundeskanzler angestrebt.

Da lächelt Faymann. "Ich kann gut mit Leuten reden", sagt er im Wahlkampf, "ich mag nämlich die Leute." Das klingt wie gut auswendig gelernt. Dann geht Faymann hin, redet mit den Leuten auf dem Markt, hört auch zu. Dann sagt er "herzlichen Dank, vielmals, alles Gute, Danke, und wenn sie was brauchen ..." (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.9.2008)