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Shaul Mofaz fühlt sich um den Sieg betrogen und zieht sich aus der Politik zurück.

Foto: AP/Markus Schreiber

Zipi Livni, seit Donnerstag Chefin von Israels größter Partei Kadima, hat es eilig mit der Machtübernahme und versucht jetzt ihrem Vorgänger Beine zu machen. "Der Ministerpräsident hat vor langer Zeit mitgeteilt, dass er sofort nach dem Bekanntwerden des Vorwahlergebnisses zurücktreten wird", erinnerte Livni energisch den Noch-Premier Ehud Olmert. "Und weil wir einen Staat zu führen haben, müssen wir rasch handeln."

Doch je früher Olmert zurücktritt, desto weniger Zeit hat Livni für Koalitionsverhandlungen, weil damit die Fristen zu laufen beginnen. Binnen einer Woche müsste dann der Auftrag zur Regierungsbildung vergeben werden, maximal sechs Wochen blieben für den Vollzug. Olmert dürfte nun erst am 2. Oktober formal sein Rücktrittsschreiben überreichen - dessen Empfänger, Staatspräsident Shimon Peres, ist nämlich nächste Woche bei der UN-Vollversammlung in New York, und danach muss noch das jüdische Neujahrsfest abgewartet werden.

Livni sieht inzwischen "keine Zeit für innenpolitisches Palaver" und will am liebsten ohne eigentliche Verhandlungen einfach den gegenwärtigen Koalitionspakt mit der Arbeiterpartei, der religiösen Shass und der Rentnerpartei erneuern. Erste Sondierungsgespräche waren aber nicht ermutigend. Die Sozialdemokraten sprechen von Neuwahlen, Shass will mehr Kindergeld und eine Garantie dafür, dass nicht über Jerusalem verhandelt wird.

Auch die eigene Partei bereitet Livni Sorgen. Ein schmerzhafter Stich war es, dass ihr knapp unterlegener Rivale Shaul Mofaz überraschend seinen Rückzug aus der Politik ankündigte. Livni hatte gehofft, die Partei hinter sich einen zu können. Nun wird ihr vorgehalten, dass der Kadima mit dem arbeitsunfähigen Ariel Sharon, dem zum Staatspräsidenten gewählten Shimon Peres, dem unter Korruptionsverdacht stehenden Olmert und nun dem beleidigten Mofaz serienweise die schweren Kaliber abhandengekommen sind.

Mofaz fühlt sich um den Sieg betrogen, weil auf Livnis Wunsch der Wahltag um eine halbe Stunde verlängert wurde, zugleich wurden die Hochrechnungen, die fälschlich einen Kantersieg Livnis prophezeiten, zu früh veröffentlicht. Das könnte den Ausgang entschieden haben, lagen doch am Ende nur 431 Stimmen zwischen den beiden Führenden. Als in Teheran gebürtiger ehemaliger Armeechef brachte Mofaz Sicherheitskompetenz und einen gewissen Appeal für die orientalischen Juden mit, zwei wichtige Qualitäten, die der Kadima nun völlig abgehen. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.9.2008)