Grüner Spitzenkandidat Alexander Van der Bellen im Gespräch mit Jugendlichen.

Foto: Elisabeth Oberndorfer/derStandard.at

Großer Andrang im Wahlkampf-Zelt.

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Auch vor dem Zelt werben Wahlhelfer um Stimmen.

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Drinnen gibt's Kaffee und Kuchen.

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Ein großes weißes Zelt, viele grüne Luftballons und dutzende Wahlhelfer. Die Grünen haben sich wenige Tage vor der Wahl mit einem Zelt auf dem Herbert von Karajan-Platz neben der Wiener Oper niedergelassen. Dort laden sie zum "Plaudern, Diskutieren und auch Streiten". Vor dem Zelt werden Broschüren und Wahlgoodies verteilt, drinnen wird alles für einen Termin mit Spitzenkandidat Alexander Van der Bellen vorbereitet. Er soll an diesem Nachmittag mit Jugendlichen diskutieren. "World Cafe" nennen die Grünen die Aktion, vielmehr erinnert das Ganze aber an Speed-Dating: An jedem Tisch sitzt der Spitzenkandidat 15 Minuten lang und die um ihn gereihten Jugendlichen dürfen nach Lust und Laune Fragen stellen.

Anstrengung Wahlkampf

Van der Bellen trifft pünktlich im Wahlkampf-Zelt ein. Das Medieninteresse ist entsprechend groß, ist es doch einer der wenigen Auftritte, die der 64-jährige Professor vor der Wahl am 28. September absolviert. Der Spitzenkandidat lässt sich - sei es bei Fernsehdiskussionen oder beim Händeschütteln auf der Straße -  gerne von der Vizeparteichefin Eva Glawischnig vertreten. 

Im grünen Zelt wird Van der Bellen mit Applaus empfangen, kurz werden die "Spielregeln" erklärt und schon geht's los. Am ersten Tisch hat eine Gruppe Schüler Platz genommen. Zuerst wissen sie nicht so recht, welche Fragen sie stellen sollen. Dann aber bricht die erst 15-Jährige Katharina das Schweigen. Sie will wissen, welche Konzepte die Grünen im Bereich Umweltpolitik umsetzten wollen - ein grünes Parade-Thema. Van der Bellen lehnt sich entspannt zurück, hält sein Glas mit grünem Minzsaft fest in den Händen, und beginnt den Schülern zu erklären, dass es ein "zentrales Anliegen" der Grünen sei, in den Bereichen Heimwärme, Stromerzeugung und Mobilität neue Konzepte zu schaffen. Er bezeichnet es als "besonders ärgerlich", dass in Österreich nicht schon viel mehr in diesem Bereich getan wurde und bringt mit der Schule Schwanenstadt und einem Studentenheim in Wien, die als Passiv-Häuser gebaut wurden, praxisnahe Beispiele, die den grünen Vorstellungen von energieschonender Bauweise entsprechen.

"Partei mit den mutigen Frauen"

Nächstes Thema Frauenpolitik. "Warum sind die Grünen die einzige Partei, die gleich viele Frauen wie Männer im Parlament sitzen hat?", will ein Jugendlicher wissen. Van der Bellen korrigiert: "Auch bei anderen Parteien ist das am Papier so", nur in Wirklichkeit sehe das oft anders aus. Als Negativ-Beispiele nennt er die FPÖ und das BZÖ, für die jeweils nur eine Frau im Nationalrat sitzt. Er sagt: "Die Grünen sind die Partei mit den mutigen Frauen, die FPÖ die Partei mit den ängstlichen Männern." Die Freiheitlichen würden sich nämlich vor vielen Dingen fürchten, so der Professor, "zum Beispiel vor Frauen mit Kopftüchern." Und schon ist man beim Integrationsthema. Van der Bellen lacht: "Als ich aufgewachsen bin, haben viele Frauen Kopftücher getragen."

Da sind die ersten 15 Minuten auch schon vorüber und Van der Bellen muss den Tisch wechseln. Schade, findet die 15-jährige Katharina. Ihr hat es gefallen, dass sie Gelegenheit hatte, persönlich mit dem grünen Spitzenkandidaten zu reden, sagt sie ihm Gespärch mit derStandard.at.  Und das, obwohl sie noch gar nicht wählen darf, was sie bedauert.

Grüne "zu liberal"

Am nächsten Tisch sind die Jugendlichen ein wenig älter, einige haben die Matura schon hinter sich. Auch hier stellt sich Van der Bellen wieder geduldig den Anliegen. Und die Zeit reicht kaum aus für die entstandene Diskussion, denn der 18-jährige Niklas hat einige sehr kritische Fragen, die ihm "ganz spontan eingefallen" sind, wie er sagt, an Van der Bellen zu richten. Ihm "gefallen" die Grünen zwar in Sachen Umweltpolitik "sehr gut", bei der Ausländerpolitik sind sie ihm aber "zu liberal". Er fragt, wie es die Grünen gewährleisten wollen, dass sich die "Kulturen nicht zu sehr vermischen"? Van der Bellen hört sich das "Problem" gelassen an und gibt dem jungen Mann ein Beispiel aus seiner Heimatregion, dem Kaunertal: Dort hätten die Einwohner in seiner Kindheit einen Dialekt gesprochen, den "niemand" verstanden habe. Der Dialekt verliere sich heute durch den Tourismus immer mehr, bedauert Van der Bellen. Der Grund dafür sei aber nicht, "weil der Schulwart türkischer Herkunft oder mit schwarzer Hautfarbe ist".

"Viel Glück"

Und wieder sind die 15 Minuten um. Hat Van der Bellen Niklas überzeugen können? "Er hat interessante Gegenargumente gebracht", sagt der 18-jährige im Gespräch mit der Standard.at. Niklas hätte aber gerne noch länger mit ihm geplaudert. Doch Van der Bellen muss schon weiter zur nächsten Veranstaltung: am Naschmarkt soll er einen Auftritt auf einer Bühne, die von den Grünen aufgebaut wurde, absolvieren. Er verabschiedet sich von den Jugendlichen und wünscht ihnen "alles Gute". Sie nicken ihm zu und einer ruft: "Danke! Und viel Glück für die Wahl!" (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 22.9.2008)