Die Welt steht vor einer globalen Finanzkrise, und was macht der "Falter"? Einen Relaunch. Das nennt man Vertrauen in die Zukunft. Auf Seite 12 der ersten relaunchten Ausgabe bilanziert der amerikanische Ökonom Robert Shiller: Das Ganze erinnert mich an den Untergang der Titanic im Jahre 1912 ... Die jetzige Katastrophe ist im Ausmaß größer, weil der ganze Globus betroffen ist. Was klarmacht, dass damit nicht der Relaunch gemeint sein kann, schließlich reicht die Strahlkraft des "Falter" über Mitteleuropa, also Wien und Graz, nicht weit hinaus.

Leider. Denn unter den Wochenblättern dieses Landes ist der "Falter" so etwas wie der reine Geist. Wie immer der über dem willigen Fleisch, das die Mitbewerber feilbieten, erscheint, ist er seinen Fans so eng ans Herz gewachsen, dass sie ihm ergeben von einem Relaunch in den nächsten folgen. Er ist dabei umgeben von durchkommerzialisierten Printprodukten, die erst den Kopf und dann den Hals verlieren, wie Chefredakteur Armin Thurnher den Relaunch zu erklären versucht: Um uns davon abzusetzen, bezogen wir uns auf die Urgeschichte der Schrift und des Drucks. So weit hätte man nicht gehen müssen, um den Unterschied zu "News", "tv-media" und "Madonna" hervorzuheben.

Leser, die mit dem "Falter" gereift sind, werden sich bei Lektüre längerer Beiträge optisch ein wenig schwer tun, werden aber reich entschädigt durch die Erklärung dieses schmerzlichen Phänomens: Die Schrift für den Lauftext wurde für eine Dünndruckbibel entworfen. Da erhält das Augenkribbeln seine höhere Weihe. Aber jetzt nicht dumm fragen: Warum dann nicht gleich in Fraktur? Denn zur Erholung des Auges: Die Titelschrift wurde ursprünglich für die US-Illustrierte Rolling Stone geschaffen. Angesichts dieser Mitteilung dürfen die Leserinnen und Leser froh sein, dass sich die Kerngruppe Blattreform (KGB) nicht am Stone von Rosette orientiert hat, was der plötzlich erwachten Leidenschaft für die Urgeschichte der Schrift besser entsprochen hätte. Aber vielleicht lag es an der Nahrungsaufnahme beim Brainstorming: Gegessen wird Spargelrisotto.

All das, diese charmant historisch-unhistorische Mischung, dient einem höheren Zweck, wie Thurnher verrät: Sie deutet an, wo der "Falter" steht: In der Tradition der literarischen Öffentlichkeit für eine moderne Zivilgesellschaft. Klingt gut, und über diesem Satz lässt sich lange brüten. Klar ist jedenfalls, dass sich ohne Dünndruckbibel in dieser Tradition einfach nicht stehen ließe.

Dem wohltemperierten "Falter"-Leser wird auch dieser Relaunch hinuntergehen, als wär's Spargelrisotto. Er will nur nicht, dass an einigen Pflöcken gerüttelt wird, wie etwa an der Orientierungshilfe Dolm/Hero der Woche, an den Aufklärungsbemühungen eines Tex Rubinowitz und, um auch die Kleinigkeiten zu erwähnen, an der Qualität seiner Beiträge. So lange er an der bewussten Stelle den Satz vorfindet, im Übrigen bin ich der Meinung, der Mediamil-Komplex muss zerschlagen werden, diesen Ausdruck holden Wahns, in Österreichs Medienlandschaft könnte sich irgendwann einmal etwas auch zum Besseren wenden, weiß er, was er an seinem "Falter" hat, wie oft der immer sich noch relauncht.

Was wollte ich eigentlich sagen? Ach ja, Robert Shiller, Untergang der Titanic. "Die Banken brauchen einen Wachhund", meint der Ökonom und fordert die Zähmung des entfesselten Finanzkapitalismus. Das ist wieder typisch "Falter", solche Leute zu Wort kommen zu lassen. Man muss schon "Die Presse" lesen, wenn man wissen will, welche Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen sind. Der Markt ist ohnehin gerade dabei, sich zu reinigen, also was soll die ganze Aufregung. Die Ursache der Krise liegt nicht in einem Webfehler der Marktwirtschaft, der Eigennutz heißt. Sondern schlicht in Fehlverhalten - das zuweilen auf beste Absichten gegründet war. Na dann!

Das "Wirtschaftsblatt" sieht es so: Alte Weisheiten wie "Der Markt hat immer recht" oder "Die Börse ist keine Einbahnstraße" haben sich erneut bewahrheitet, und wenn sie nicht befolgt werden, liegt es nur an der Gier unbelehrbarer Anleger, die Manager zu riskanten Geschäften zwingt. In der "Wiener Zeitung" entlarvt Unterberger Politiker und Gutmenschen etwa aus kirchlichen Kreisen, die sich immer gern über gewaltige Gewinne internationaler Finanzkonzerne empört haben. Heute muss nämlich jeder Sparer froh sein, wenn deren in fetten Jahren angesammelte Gewinne groß genug waren, um auch in Krisenzeiten auszureichen. Freut euch, Sparer! (Günter Traxler/DER STANDARD; Printausgabe, 20./21.9.2008)