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"... was sie im Entferntesten mit öffentlich-rechtlichem Auftrag zu tun haben": Dörr könnte Modelcoach Darnell (Bild) meinen, der in der ARD ordinierte.

Foto: AP/Meissner

Gebührensender ohne Werbung und Sponsoring wünscht sich der deutsche Rundfunkrechtler Dieter Dörr, der selbst für eine ARD-Anstalt arbeitete. Sponsoring schade dem Image, Werbung dem Programm, sagte er Harald Fidler.

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STANDARD: Die EU verlangt von Gebührensendern, dass sie neue oder veränderte Angebote auf publizistischen Mehrwert und Auswirkungen auf den Markt prüft. Warum sehen Sie darin eine Chance für die Anstalten?

Dörr: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss sich Gedanken machen, wofür er Gebühren erhält, was sein journalistischer Auftrag ist, womit er der Gesellschaft dient. Das tut not, zeigen Angebote im Hauptabend und Online, bei denen ich nicht verstehe, was sie auch nur im Entferntesten mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zu tun haben. Eine Bewährungsprobe für öffentlich-rechtlichen Rundfunk; eine Chance, sein Profil zu schärfen.

STANDARD: "Chance" bezieht sich also generell auf die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?

Dörr: Das bezieht sich auf alle Angebote. Wir haben eine Zeit viel zu wenig über den öffentlich-rechtlichen Auftrag nachgedacht. Auch die Programmverantwortlichen dort. Zum Glück ändert sich das jetzt. Er soll für Meinungsbildung in der Gesellschaft sorgen, der Demokratie dienen, der Kultur, breit verstanden, auch Sport und Unterhaltung bieten. Er soll aber Qualität liefern. Das kann man nicht von außen verordnen, das muss der Rundfunk selbst schaffen. Deshalb muss er immer wieder über seinen Auftrag nachdenken, wie er ihn - möglichst hochwertig - erfüllt. Er soll nicht das Gleiche wie Private nur ein ganz klein bisschen besser machen, sondern was anderes.

STANDARD: Können interne Gremien den Test alleine leisten?

Dörr: Nein. Dafür sind Auswirkungen auf den Markt zu prüfen, eine rein fachliche Frage, das ist Kartellrecht, Wettbewerbsrecht. Da brauchen Sie Juristen und Ökonomen, die Märkte ermitteln, abgrenzen und Prognosen erstellen, wie sich ein neues Onlineangebot auf Konkurrenten auswirkt. Das können Gremien gar nicht leisten, selbst wenn Sie es wollen. Sie können sich über publizistischen Mehrwert Gedanken machen, aber nicht über marktliche Auswirkungen.

STANDARD: In Deutschland sind dafür Sachverständige vorgesehen.

Dörr: Für einheitliche und unabhängige Spruchpraxis braucht man dann ein Sachverständigengremium. Wenn man nur einzelne Sachverständige hinzuzieht, liegt der Gedanke nicht so ganz fern, dass sich der Auftraggeber Sachverständige aussucht, die seiner eigenen Vorstellung näher stehen.

STANDARD: Sie können werbe- und sponsoringfreien deutschen Anstalten etwas abgewinnen.

Dörr: Werbung und Sponsoring wirken sich auf das Programm aus. Beim Sponsoring sind die Einnahmen erschreckend gering, der Imageschaden aber erschreckend hoch. Es weckt den Eindruck, der Sponsor bestimmt das Programm wesentlich mit oder finanziert es wesentlich. Das ist kein guter Eindruck, eine Frage der Glaubwürdigkeit. Werbung wirkt sich auf die Qualität des Programms aus. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat als Folge von Werbefinanzierung im Privatfernsehen Programmverflachung und Betonung des Skandalösen, Trivialen beschrieben. Wenn das so ist, spricht viel dafür, dass man das beim Öffentlich-Rechtlichen vermeidet. Das führt aber zu höheren Gebühren. In Österreich ist die Situation wegen des vielfach höheren Werbeanteils am ORF-Budget anders.

STANDARD: Inhaltlich muss doch für österreichische wie deutsche Öffentlich-Rechtliche dasselbe Prinzip gelten. Wirtschaftliche Zwänge können daran nichts ändern.

Dörr: Inhaltlich gilt dasselbe wie für Deutschland. Aber wirtschaftlich ist es mit weniger Bevölkerung sehr viel schwieriger, den Rundfunk durch Gebühren zu finanzieren. Man muss fragen, ob man dem Gebührenzahler eine solche Last aufbürden kann.

STANDARD: Immer eine Frage, wie groß der Rundfunk, wie umfangreich das Angebot ist.

Dörr: Immer eine Frage des Angebots und wie viel Auftrag man dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt.

STANDARD: Online-Diensten der deutschen Anstalten sind Werbung und Sponsoring versagt. Was halten Sie von den Bestrebungen deutscher Verleger, Gebührensender möglichst vom Web abzuhalten?

Dörr: Wenn man öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhalten will, kann man ihn davon nicht ausschließen. Wenn er, ich meine: unbedingt, an der öffentlichen Meinungsbildung teilnehmen soll, muss man ihm diesen Bereich offenhalten. Sonst wird er zwangsläufig zum Auslaufmodell. (Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 20./21.9.2008)