Eisenhart fällt Christiane Hörbiger zum 70er das Urteil zwischen Rache und Gerechtigkeit über die Versuchung. Die Fernsehtragödie frei nach Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame" ist des ORFs Geburtstagsgeschenk.
An "das Heute" angepasst, an "die Zeit der Gier", die "die Weltwirtschaft in die Krise stürzt": So will ORF-Chef Alexander Wrabetz den klassischen Stoff Friedrich Dürrenmatts durch Nikolaus Leytners Verfilmung vom "Besuch der alten Dame" aktualisiert wissen. Die Neuverfilmung legt somit mehr Wert auf die Ausstaffierung der Charaktere – zulasten der Mehrschichtigkeit des Gedankenexperiments um Korruption und des Zurechtbiegens einer "eigenen Wahrheit".
Leytner hüllt den wirtschaftlich ausgebluteten Handlungsort Güllen (im steirischen Eisenerz abgefilmt) in ein farblich unterkühltes Leichentuch. Christiane Hörbiger, der die Rolle auch durch die persönliche Bekanntschaft mit Dürrenmatt am Herzen liegt, interpretiert die steinreiche Claire Zachanassian passend darauf abgestimmt: Eisenhart und schmallippig kehrt das Mädchen von damals als Öl-Tychoonin zurück. Auf den Stock gestützt schleppt sie sich bitter durch das Kaff, deren Bewohner ihr unverzeihliches Unrecht antaten.
Ihr Ex-Verlobter Alfred Ill (glaubwürdig: Michael Mendel) zerstörte damals ihr Leben mit einem Autounfall und einem gegen sie geschworenen Meineid. Er soll – wie das ganze Dorf, das ihn schützte und sie verstoßen hatte – büßen.
Rolle als Racheengel
Persönlich sieht Hörbiger ihre Rolle als Racheengel: Aber für die Rolle der verratenen und gedemütigten Frau hätte sie deren Gerechtigkeitssinn als solchen empfinden müssen, um sie spielen zu können.
Von Journalisten auf frühere Engagements wie "Zwei Ärzte sind einer zuviel" angesprochen, die sich mehr auf leichte Stoffe verlagern würden, lacht Hörbiger kurz auf und bekennt: "Ich liebe Quote!" Sie freue sich, wenn Zuseher sie etwa "gerne vor blauem Himmel sehen". Schauspielerisch seien diese Arbeiten ebenso anspruchsvoll wie ihr neuer Lieblingsfilm, sagt die im Umgang mit Medien erfahrene Hörbiger: "Der Besuch der alten Dame".
70. Geburtstag
Sie werde sich den Film am 13. Oktober, ihrem 70. Geburtstag, mit dem Kern der Technikcrew gemeinsam ansehen. Als Dank für deren Arbeit und die Momente, als diese "bei Regen und sogar Schnee" am Gerät ausharren mussten.
Von Hörbigers Freude am Projekt wusste Produzentin Regina Ziegler zu berichten. Ihr gelang es, die Rechte am Dürrenmatt-Stoff unter anderem von Anthony Quinn in Hollywood loszueisen. Und nachdem sich Hörbiger mit der Frage , was ihr an der neuesten Verfilmung nicht gefallen habe, nicht aus der Reserve locken ließ, bot ORF-Fernsehfilmchef Heinrich Mis ungefragt eine Erklärung, warum die Verfilmung recht eindimensional gehalten scheint: Der Film solle eben auch Menschen ansprechen, die Dürrenmatt nicht kennen. (Georg Horvath/DER STANDARD; Printausgabe, 20./21.9.2008)