José Piñera

Wien - José Piñera (60) reagiert gelassen auf die Finanzkrise. Vor 28 Jahren hat der Harvard-Absolvent als Arbeitsminister in der Militärregierung von General Augusto Pinochet das chilenische Pensionssystem privatisiert. Dabei wurde das übliche Umlageverfahren durch ein Kapitaldeckungssystem ersetzt, das auf persönlichen Pensionskonten bei privaten Fondsfirmen beruht. Obwohl diese auch Aktien erwerben, sieht Piñera sein System, das 30 Länder von Mexiko bis Polen eingeführt haben, nicht gefährdet.

"Die gegenwärtige Finanzkrise beweist wieder einmal die Weisheit der chilenischen Pensionsreform von 1980, weil wir strikte Regeln für die Pensionsfonds geschaffen haben, um hoch riskante, unverantwortliche und konzentrierte Investitionen unmöglich zu machen", meint Piñera. "Wir haben auch einen Regulator eingesetzt, damit die Regeln eingehalten werden. Deshalb hat die gegenwärtige Krise, abgesehen von indirekten und vorübergehenden Effekten für die internationalen Aktienpreise, Chiles Pensionsfonds nicht geschädigt."

Grundsätzlich sieht Piñera, der am Rande eines Symposiums des Swiss Management Centers in Wien mit dem STANDARD sprach, drei Vorteile: "Erstens, für die Arbeiter, deren Beiträge sich auf einem sicheren Konto akkumulieren." In 28 Jahren sei "kein einziger Peso" wegen Betrugs oder Missmanagements verlorengegangen.

Zweitens profitiere die Wirtschaft. Das System habe einen "riesigen Kapitalmarkt" geschaffen, der 80 Prozent des chilenischen BIP entspricht. Es werde etwa in heimische Minen und in die Forstwirtschaft investiert; nur ein Teil darf im Ausland angelegt werden. Schließlich profitiere davon auch die Gesellschaft. Als Beweis gilt ihm, dass das System in Chile "nach fünf sehr unterschiedlichen Regierungen intakt ist" . Die gegenwärtige, sozialistisch geführte, habe nur das "Sicherheitsnetz" der Mindestpension für alle Chilenen von 100 auf 140 Dollar im Monat erhöht. Ein Problem sei, dass es in Ländern des Südens viel Schattenwirtschaft gebe. Jede Regierung bemühe sich aber, "offizielle" Arbeitsplätze zu schaffen.

Zeitraum von 40 Jahren maßgeblich

Sein Pensionssystem sei "wie ein Mercedes Benz, aber man muss ihm auch Treibstoff geben" . Wer teilnimmt, muss zehn Prozent des Einkommens (vor Steuern) auf sein Pensionskonto einzahlen. Weitere zehn Prozent darf man steuerbegünstigt ansparen. Das biete auch die Möglichkeit, beitragslose Zeiten, z. B. wegen Mutterkarenz oder Auslandsaufenthalten, auszugleichen.

Gefragt, wie viel Prozent vom Einkommen im Schnitt als Pension ausbezahlt werden, sagt Piñera, dass statt der "Ersatzrate" der Umlagepensionen in seinem System die Rendite maßgeblich sei. Bei der Gründung 1980 habe man die Rendite mit vier Prozent angenommen, in der Praxis sei sie dann weit höher gewesen. "Heuer wird die Rendite wegen der Krise negativ sein, aber was in diesem System zählt, ist die Rendite über einen Zeitraum von 40 Jahren. Und in den 28 Jahren bis jetzt liegt sie zehn Prozent über der Inflation", berichtet Piñera, der als "wichtige Inspiration" für seine Ideen den liberalen österreichischen Ökonomen Friedrich August von Hayek nennt. (Erhard Stackl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21.9.2008)