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Das kommt raus, wenn DesignerInnen Pac-Man spielen: Mode des britischen Labels Giles.

Unter ihnen auch Marios Schwab und Peter Pilotto.

Mit dem immer wieder zitierten Klischee, dass Rocksäume in wirtschaftlichen Boomzeiten nach oben wandern und sich bei Krisen knieabwärts bewegen, können Londoner Designer wenig anfangen. Knallbunte und hyperfröhliche Mode dominierte in den vergangenen sechs Tagen die Laufstege – beziehungsweise eine trotzige Jetzt-erst-recht-Haltung. Der 31-jährige Gräko-Österreicher Marios Schwab etwa verwandelte Schmuck – die Definition von Luxus schlechthin – vom Accessoire zum modischen Hauptobjekt: Schmuck als Kleidung für den Körper.

Angelehnt an die Kordeln, die die antiken griechischen Chitons zusammenhielten, experimentierte er für Frühjahr/Sommer 2009 mit hellenisch anmutenden Drapierungen und Ketten aus Kupfer, die sich um den Körper schlängeln. Der Höhepunkt seiner Show: ein Kleid, in das Silber eingewoben war. Gleichzeitig zeigte Schwab eine Auswahl an tagestauglichen und erschwinglichen Stücken. Das kann mit den wirtschaftlich turbulenten Zeiten zu tun haben oder einfach mit der Bestrebung, das eigene Label in eine kommerziellere Richtung weiterzuentwickeln.

Die beliebteste Strategie, der vom Börsensturz ausgelösten Jammerstimmung zu entkommen, war allerdings die Flucht zurück in die Kindheit. Christopher Kane, der wichtigste Londoner Designer der jüngeren Generation, verzauberte mit an übergroße Pailletten erinnernde Kreis-Appliqués. Als Inspiration zitierte er seine Faszination für Dinosaurier und den Film "Planet der Affen". "Familie Feuerstein"-Prints und Gorillas auf T-Shirts und Kleidern zielen wohl auf das Kind im Einkäufer ab.

Dieses ist auch bei Giles (hier sah man von Pac-Man inspirierte Cyber-Mode) und Eley Kishimoto gefordert. Zum Sound von lachenden und quietschenden Kleinkindern zeigte man eine "Little Devil"-Kollektion, in der bonbonfarbene Matrosenkrägen mit Hängerkleidern gemischt wurden. Auch die Premium-Linie "Unique" von Topshop, der Billigkleiderkette mit Designrenommee und Großsponsor der London Fashion Week, schwelgte in Erinnerungen an rebellische Teenage Mods und Rockabillies. Der Trend zur neuen Jugendlichkeit dürfte keine Eintagsfliege sein: Kommerzielles Know-how und ein Gespür für das, was kommt, ist dem Kleidergiganten nämlich nicht abzusprechen.

Knallpinke Luftballons im Hyde Park wiesen nicht den Weg zum Kindergeburtstag, sondern zu Luellas Laufstegevent in einem idyllischen Glaspavillon. Gartenpartykleidchen, blasser Teint und Queen-Mum- Täschchen wurden von der britischen Designerin mit psychedelischen Knallfarben und kiloweise Perlenketten gekreuzt. Das fröhlich-exzentrische Ergebnis erinnerte an Princess Margaret auf Acid. Bei der Stella-McCartney-Show für Adidas sprangen Trampolin-olympioniken in Knallorange bis an die Decke der Royal Horticultural Halls, in denen sich sonst ältere Semester an Blumenshows erfreuen. "Die Designs der Tanz- und Tennisoutfits sind von edwardianischer Unterwäsche inspiriert", erklärte sie nach der Show dem Standard. Auch in dieser Saison zeigte McCartney in ihrer Heimatstadt nur ihre Kapselkollektion für Adidas – wer die Designs ihrer eigenen Linie sehen will, muss nach Paris. Dorthin ist auch ein anderer britischer Modestar abgewandert: Gareth Pugh.

Pilotto beeindruckte

Weiterhin in London präsentiert dagegen der Tiroler Peter Pilotto: Obwohl er selbst noch zu den jungen Designern gehört, zeigte der 31-jährige (er wurde heuer erstmals mit dem Topshop New Generation Award ausgezeichnet) eine für London uncharakteristisch erwachsene Kollektion. Lockere Drapierungen, elegante Proportionen und atemberaubende Kaleidoskopmuster aus mikroskopischen Schmetterlingsflügeln beeindruckten. Da wächst eine neue Designkraft heran! Bei den heurigen MTV Music Awards trug vor kurzem Rihanna ein Kleid des Tirolers.

Während manche Designer auf kleinere Locations auswichen, entschied sich Vivienne Westwood ganz offensichtlich gegen Einsparungen bei ihrer Red-Label-Schau: Ihre Location war in etwa so groß wie alle anderen Showorte zusammen. Sie zeigte einen typischen Westwood-Mix aus Korsetten, urbanen Silhouetten und sexy Kolonialchic. Trotz später Stunde fanden sich so viele Promis ein wie nirgends sonst. Vielleicht ein Zeichen dafür, dass sich London bei aller Liebe zu seinem Design-Nachwuchs nach großen Namen sehnt? (Britta Burger/Der Standard, Printausgabe 20./21.09.2008)