Die Kurse wurden am Freitag auch vom Verbot des Short Sellings auf Finanzwerte beflügelt. Doch nachhaltig dürfte die Maßnahme nicht sein. Und andere Branchen könnten nun dafür zum Handkuss kommen.

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Wien - Sie gelten als Inbegriff der Kasino-Mentalität und Zockerei: Leerverkäufe, die am Freitag von den Aufsichten großer Handelsplätze von New York über Frankfurt bis London verboten wurden. Genauer: Nur Wetten auf sinkende Kurse von Finanzwerten sind vorübergehend tabu (siehe Wissen). Auch SP-Chef Werner Faymann würde Short Selling gerne verbieten, dafür wäre allerdings eine Gesetzesänderung notwendig, ergänzte der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten.

In den letzten Wochen kam das Instrument ziemlich unter Beschuss, John Mack, Chef von Morgan Stanley, schrieb in einer Mail an Mitarbeiter: "Investoren, die mit ungedeckten Leerverkäufen auf Kursverluste setzten, treiben derzeit unsere Aktien herunter."

Mack vergaß nicht anzudeuten, dass die Bären an der Wall Street Gerüchte über Zahlungsschwierigkeiten streuten, um so den Kursverfall und folglich den Gewinn aus den Leerverkäufen zu maximieren. Nicht erwähnt hat Mack, dass Morgan Stanley in dem Markt immer eine prominente Rolle gespielt hat.

Jedenfalls wurde es nicht nur dem Investmentbanker zu blöd, sondern auch der Justiz. Sie ermittelt, ob die Kombination aus dem Streuen von Gerüchten und Leerverkäufen bewusst erfolgte und dadurch Kursmanipulation betrieben wurde. Das von der Marktaufsicht SEC ausgesprochene Verbot des Short Sellings hat jedenfalls schon geholfen, trug es doch zum Kursflug am Freitag wesentlich bei.

Marktteilnehmer, insbesondere Hedgefonds, mussten sich laut Beobachtern wegen der Maßnahme mit Finanzwerten eindecken.

Allerdings wird an der Nachhaltigkeit der Aktion gezweifelt, können Investoren doch auch über Verkaufsoptionen und andere Instrumente von fallenden Kursen profitieren. Lediglich die Übertreibungen am Markt könnten mit dem Verbot der Leerverkäufe verringert werden, dennoch warnen kritische Stimmen vor der Verzerrung der Kurse durch den Eingriff. Sollten die Finanzaktien immer noch überbewertet sein, würde die Anpassung nur verzögert, hieß es am Wochenende hinter vorgehaltener Hand.

Noch ein Aspekt wurde bisher nicht thematisiert. Die Beschränkung des Verbots auf Finanzwerte könnte zu einer Umschichtung der Leerverkäufe in andere Sektoren führen, wo die Praxis weiterhin erlaubt ist. Das würde insbesondere Branchen treffen, die bereits unter der konjunkturellen Abkühlung leiden - etwa Bau und Einzelhandel. Letzter hat mit 8,2 Prozent bereits den höchsten Anteil geliehener Aktien, bei Banken sind es laut Reuters 5,9 Prozent. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.9.2008)