Ein Tag, der mit einem leichten Hoffnungsschimmer für Pakistan begonnen hatte - der umstrittene neue Präsident Asif Ali Zardari hatte vor dem Parlament angekündigt, freiwillig etwas von seiner exzessiven verfassungsmäßigen Macht abgeben zu wollen -, endete in einem Blutbad. Die Attentäter, die am Samstag die Sicherheitsmaßnahmen vor dem Hotel Marriott in Islamabad überwanden, haben gezeigt, dass sie Herren über Ort und Zeit des Terrors sind.

Damit haben sie Pakistan endgültig zum globalen Sorgenkind Nummer eins hochgebombt. Es ist richtig, dass es noch weit labilere Staaten gibt, Staaten, wo es keinerlei zentrale Autorität gibt - wie ja gleich nebenan Afghanistan. Aber keiner davon hat 85 (eine Durchschnittsschätzung) Atombomben. Und das Grundvertrauen in die USA, das man vor einigen Jahren noch aufbringen mochte - dass sie über genaue Einsatzpläne verfügen, wie sie diese Bomben im Fall des Falles übernehmen und kontrollieren -, ist heute einigermaßen angeschlagen.

Wie jenes der USA in Pakistan: Dass nun die US-Armee von Afghanistan aus Ziele im pakistanischen Grenzgebiet ohne Einwilligung der pakistanischen Regierung angreift, war eine ausgewachsene US-Politik-Wende dem Verbündeten Pakistan gegenüber, die übrigens auch der demokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama mitträgt. Das macht die neue US-Politik jedoch nicht weniger _problematisch. Gerade jene Kreise, auf die sich die USA in Pakistan stützen, sprich die Militärs, werden dadurch in ein arges Dilemma gestürzt, gespalten und geschwächt.

Sicherheitsexperten sind hingegen ziemlich einhellig der Meinung, dass die US-Regierung sich weiter an die pakistanischen Militärs halten sollte, vertreten durch den diskreten Nachfolger Pervez Musharrafs an der Armeespitze, Ashfaq Kayani. Es heißt aber, er sei nicht so willfährig, wie von den USA gewünscht, und die über den Sommer geführten Sicherheitsgespräche zwischen Washington und Islamabad hätten nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht.

Der Pakistan-Experte Tariq Ali verweist darauf, dass in der Region Verschwörungstheorien grassieren, des Inhalts, dass die USA Pakistan und ihre bisherigen Verbündeten in Islamabad aufgegeben haben und deshalb mit Absicht destabilisieren wollen, um am Ende die Kontrolle übernehmen zu können, Stichwort Atomwaffen. Es ist jedoch eher _unwahrscheinlich, dass die USA, so wie sich die Lage in der Region heute darstellt, sich noch in einer solchen gefährlichen Selbstüberschätzung üben. Die „kreative" US-Politik in der Region sollte mit dem Debakel im Irak ein Ende gefunden haben, wo sich die Lage derzeit wieder signifikant verschlechtert (aber das kann ein vorübergehendes Phänomen während des Ramadans sein, hoffentlich).

Falls eine eindeutige Zuordnung des Attentats von Samstag ausbleibt, werden wohl auch interne pakistanische „Cui bono"-Verschwörungstheorien auftauchen: Wer aller hat ein Interesse am Scheitern Zardaris? Und in Pakistan ist ja die Gemengelage oft nicht klar, besonders die Rolle des Geheimdienstes ISI mit seiner Nähe zu Islamisten.

Das Attentat ist als zynische Grußadresse zum ersten Auftritt Zardaris im Parlament zu lesen - während das Ziel, das Marriott, ihm eine internationale Dimension gibt (wahrscheinlich wären außerhalb des Ramadans noch mehr Ausländer dort gewesen). Der Krieg an der afghanisch-pakistanischen Grenze, wo es immer auch um lokale Angelegenheiten ging, ist durch die neue US-Politik endgültig in einen internationalen Kontext gehoben worden. Dafür ist ein hoher Preis zu bezahlen.

( Gudrun Harrer, DER STANDARD, Printausgabe, 22.9.2008)