Cover: Thiele Verlag

Anlässlich des 70. Geburtstages von Romy Schneider.

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Prinzipiell stellt sich die Frage, was dazu führt, dass eine Person über ein viertel Jahrhundert nach ihrem Ableben publizistisch bedeutsam bleibt. Welche Facette des Menschen und der Schauspielerin Romy Schneider ist noch nicht bis ins letzte Detail erforscht, exhumiert und seziert, dass zahlreiche Publikationen zu ihrem 70. Geburtstag am 23. September 2008, sie posthum in Ehren halten, beziehungsweise nutzen, sich selbst ins Rampenlicht zu stellen.

Die Antwort liegt wohl in der fragilen Persönlichkeitsstruktur eines äußerst eigenwilligen Menschen, deren persönliche Problematik in der Auseinandersetzung der privaten und der in der Populärkultur der publizistischen Öffentlichkeit gefangenen Person lag. Und wohl darin, dass man auch heute noch Kapital daraus schlagen kann, wenn man sich, aus mehr oder minder intensiver persönlicher Bekanntschaft, in ihrem Kontext gemeinsam ins Licht der öffentlich Gescheiterten zu stellen vermag.

Die Vita Romy Schneiders darf als bekannt vorausgesetzt werden. Aus der Divergenz der öffentlichen Erwartungshaltung und der subjektiven Abstreifung des auch familiär bedingten Korsetts ergab sich eine Verweigerung, die in cineastische wie auch private Provokation, die tradierte Gesellschaftsordnung hinterfragend, mündete. In ihrer intensiven, stets authentischen Darstellungskraft geriet sie, bis heute gültig, zur komplexen, aber auch äußerst unterschiedlich rezipierfähigen Symbolfigur des kollektiven, kognitiven Bewusstseins: einerseits als naiv-kindliches Mädchen von Nebenan, als junge, heitere, aber hinterfragende, widersprechende Prinzessin für die traditionell Orientierten, später als emanzipierte, eigenständige, selbstbewusste Frau, als Mutter, Geliebte und Hure für ein modernes, kosmopolitisches, neue Gesellschaftsnormen beschwörendes Publikum.

Die Divergenz ihrer Verweigerung tradierter Normen und der Erwartungshaltung der deutschsprachigen Gesellschaft und Kulturkritik mündete in schizophrene Akte emotionaler wie auch körperlicher exhibitionistischer Akte. Im Privaten scheiterte sie an ihrem kindlich-naiven Liebesbedürfnis und der Ausbeutung ihrer chauvinistisch orientierten Partner, die ihre bedingungslose Hingabe ausnutzen. Was bleibt ist der Schattenriss einer emanzipierten Frau, deren Motto die Intensität, wider das Mittelmass, gewesen war.

Aktuelle Buchveröffentlichungen wie auch Einschaltquoten bei retrospektiven Fernsehausstrahlungen und Verkaufszahlen bei Filmreprisen in diversen Programmkinos legen nahe, dass es weiterhin ein Interesse am filmischen Schaffen sowie an der Person Romy Schneider gibt. Partiell bedenklich sind nur die Beweggründe der Publikation. Selbst Alice Schwarzers Thematisierung der Rolle Schneiders für die Emanzipation wirkt, trotz verbaler Kritik an der undifferenzierten Leichenfledderei des Boulevard, trotz ihrer persönlichen Integrität in Gesellschaftsfragen, spekulativ und irritierend. Bislang war ihre Beziehung zu Schneider unspektakulär bis irrelevant. Decouvrierend, desavouierend und degoutant Oswalt Kolles Outing seines bislang geheimen One-Night-Stands, um seine Autobiografie zu promoten. Ehrlicher im Umgang sind, im Gegensatz zu den kopierfähigen Biografien, Bildbände von Schneiders Werdegang und Lebensstationen. Fotografien sprechen für sich. Problematisch wird es nur, wenn, wie bei Giancarlo Bottis`"Romy, c`est la vie" nur das Cover einer älteren Erscheinung ausgetauscht wird.

Die undifferenzierte Distanzlosigkeit zeigt sich auch in der Reduktion der großartigen Schauspielerin auf ihren Vornamen. Respektlos und distanzlos nennen viele Medien nur ihren Vornamen. Alle haben sie immer schon gekannt, immer geachtet und geliebt. Für das Zerbrechen an der Distanzlosigkeit von Papparazzi wie auch schreibender Kollegen ist Romy Schneider nicht das erste, und mit Sicherheit nicht das letzte Beispiel. Öffentlich gelebtes Leben im Aufstieg, in Liebesbeziehungen, Heiratssachen und Scheidungsfällen, im privaten Unglück, im beruflichen und persönlichen Erfolg und Misserfolg ist Teil der Populärkultur, ihrer marketingmäßiger Verwendung oder bewusster Verweigerung. Eine Variable der Wahrheit liegt eventuell in der Klassik: Die Geister, die man rief, wird man nicht mehr los. Oder, in österreichischer Variante: Zu Grabe getragen, zu Tode geliebt. (Gregor Auenhammer, derStandard.at, 22.09.2008)