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Haider ist nicht Faymanns einziges Problem bei der Mehrwertsteuersenkung: Nur ein Abgeordneter darf die Sitzung schwänzen.

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Die Länder fordern bereits jetzt finanzielle Kompensation.

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Wien - Nicht nur wegen Jörg Haider wird die mittlerweile berüchtigte Nationalratssitzung am Mittwoch, bei der die SPÖ mithilfe von FPÖ und BZÖ die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel durchbringen will, zu einer Zitterpartie: Ein Blick auf die Mehrheitsverhältnisse im Parlament zeigt, dass der rote Vorstoß selbst bei blau-oranger Zustimmung nur mit einer einzigen Stimme abgesichert wäre: Nämlich mit 93 von insgesamt 183 Mandaten.

Das bedeutet: SPÖ-Chef Werner Faymann muss danach trachten, dass alle seine Abgeordneten anwesend sind, sonst wäre die Mehrheit weg. Dasselbe gilt für Freiheitliche und Orange - sofern das BZÖ, das sein Ja immer noch an Bedingungen knüpft, mitstimmen will.

Der Hintergrund für die hauchdünne Mehrheit: Zwei ursprünglich "blaue" Stimmen gibt es mittlerweile nicht mehr - Ewald Stadler ist zum BZÖ übergelaufen und kandidiert auf der orangen Liste. Er wird also mit dem BZÖ stimmen - welche Order auch immer Parteichef Haider für seine Fraktion ausgeben wird. Karlheinz Klement schied ebenfalls im Unfrieden aus dem FPÖ-Klub und sitzt bis zur Wahl als "wilder" Abgeordneter im Hohen Haus. Er wird gegen die Mehrwertsteuersenkung stimmen, kündigt er im Standard-Gespräch an: "Das ist Wählertäuschung und reine Augenauswischerei." Auch Alexander Zach, zwar formell Mitglied im SPÖ-Klub, wird als LIF-Abgeordneter "gegen den populistischen Einmaleffekt durch Mehrwertsteuersenkung stimmen" , sagt er zum Standard: "Das ist keine nachhaltige Maßnahme."

Bis es so weit ist, versucht Haider Druck auf die SPÖ zu machen: Auch am Montag, zwei Tage vor der Plenarsitzung, wollte sich der Kärntner Landeshauptmann nach wie vor nicht festlegen, wie seine Abgeordneten stimmen werden, stattdessen junktimierte er sein Einverständnis zur Halbierung der Mehrwertsteuer erneut mit zusätzlichen "Direkthilfen" gegen die Teuerung. Zur Auswahl stellte er unter anderem: einen Steuerbonus von 200 Euro plus 50 Euro pro Kind, die Steuerfreistellung von 20Überstunden pro Monat und die Nächtigungsgelder für Monteure.

Länder fordern Ausgleich

Dazu erwartet sich das BZÖ - Haider hat sich brieflich an Kommissar László Kovács gewandt - eine verbindliche Erklärung der EU, dass die Reduktion der Mehrwertsteuer zu keiner Klage seitens Brüssel führe. Trotz seines Wunsches nach einer "rechtlich bindenden Antwort" über die Möglichkeit eines dritten reduzierten Mehrwertsteuersatzes bekommt Haider vom Steuerkommissar nur eine "normale" Stellungnahme, wie der Standard erfuhr.

In dieser steht, dass es aus Sicht der Kommission nur zwei Sätze geben kann und Österreich mit zehn Prozent auf Lebensmittel, Bücher und Blumen sowie zwölf Prozent auf Wein ab Hof diese Möglichkeiten bereits nützt. Ein dritter Mehrwertsteuersatz würde also ein EU-Vertragsverletzungsverfahren nach sich ziehen. "Rechtlich bindend" darf der Kommissar gar keine Auskunft geben. Als "Hüterin der Verträge" hat die Kommission nur eine Rechtsmeinung. Im Streitfall müsste der EuGH entscheiden.

Länder - auch die SP-regierten - und Gemeinden forderten am Montag bei einem Treffen der Finanzlandesreferenten mit Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) eine Kompensation, sollte der Nationalrat die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und Medikamente beschließen. Denn eine Senkung der Steuereinnahmen um bis zu 750 Millionen Euro - so viel würde der ermäßigte Steuersatz laut SPÖ kosten - würde die Budgets der Länder mit 154 Millionen (ÖVP-Schätzung: 189 Mio.), jene der Gemeinden mit rund 88Millionen (ÖVP-Schätzung: 108Mio.) belasten. (mimo, nim, nw/DER STANDARD Printausgabe, 23. September 2008)