Das Land hat dieselben Probleme wie alle anderen Übergangsländer - und noch eines mehr.
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Ljubljana - Nach dem Wahltag in Slowenien beginnt ein hartes Gerangel um die Regierungsbildung: Der bürgerliche Premier Janez Janša gibt noch nicht auf. Gemeinsam mit den bisher geächteten Rechtspopulisten könnte er eine knappe Mehrheit schaffen. Für eine Mehrheit im Parlament sind die Sozialdemokraten (DS) auf die Pensionisten-Partei (Desus) mit sieben Abgeordneten angewiesen, die bisher Partner der konservativen Demokratischen Partei (SDS) war. Desus will die Pensionen erhöhen, die SD unter Borut Pahor will im Kampf gegen die Inflation hingegen die Staatsausgaben kürzen. Die SDS kam dem vorläufigen Endergebnis zufolge auf 29,2 Prozent der Stimmen, während für die Sozialdemokraten (SD) 30,6 Prozent der Wähler votierten.
Für eine fällige Koalition über die Lagergrenzen hinweg ist der angebliche "Musterschüler" der EU-Erweiterung noch nicht reif. Mitten im Wahlkampf war herausgekommen, dass ein Rüstungskonzern ausgerechnet aus dem blitzsauberen Finnland 21 Millionen Euro an slowenische Politiker, Beamte und Militärs verteilt und das auch noch für "landesüblich" erklärt hatte. Opposition und Presse jaulten kurz auf. Aber eine Untersuchung fand nicht statt: Rechtshilfeersuchen aus Finnland verschwanden. Slowenien, so die Botschaft an den Wähler, hat gut funktionierende Behörden. Aber wenn man sie bräuchte, tauchen sie ab. Wenn es ernst wird, entscheidet auch in Slowenien immer ein undurchschaubares Netzwerk.
"Rote Seilschaften"
Die Atmosphäre in der politischen Szene ist vergiftet. Ausgerechnet in dem Land, das wenigstens zuletzt die mildesten und liberalsten Kommunisten hatte, pflegen die bürgerlichen Parteien einen extremen Antikommunismus. Damit agitieren sie zwar gegen die Erfahrung: Jeder Slowene weiß, dass die Kommunisten um Staatsgründer Milan Kuèan schon zu jugoslawischer Zeit für liberale Reformen standen und die slowenischen Interessen im Konzert des Vielvölkerstaats energisch vertraten. Aber die Verteufelung der "Kommunisten" macht es möglich, gegen "rote Seilschaften" die eigenen Personalvorstellungen durchzusetzen, im Namen des "Pluralismus" Journalisten zu bedrängen, Zeitungen umzudrehen und ganze Konzerne der eigenen Botmäßigkeit zu unterstellen. Vor allem die personellen Umbesetzungen sorgten in den vier Jahren der bürgerlichen Koalition für böses Blut.
Die Wirtschaftsdaten des Landes sind vorbildlich. Der angebliche "Musterschüler" war nach Ansicht seiner führenden Ökonomen aber gerade deshalb erfolgreich, weil er die Ratschläge aus Brüssel missachtet hat. Über ein Jahrzehnt hat die aus der KP stammende, verfilzte Elite in Ljubljana Investoren draußen gehalten, nur behutsam und meistens ans Management privatisiert und slowenische Marken auf dem europäischen Markt platziert, statt sich in der Produktionskette brav hinten anzustellen. Die Strategie ging - zum Entsetzen der bürgerlichen Opposition - auf. Janša erlitt mit neoliberalen Radikalismen wie der Einführung einer Flat Tax rasch Schiffbruch.
Beim Mangel an Konfliktthemen geht der Parteienstreit immer wieder ins Grundsätzliche über: in Ideologie, Massengräber aus dem Zweiten Weltkrieg, die Trennung von Kirche und Staat. Die Perspektiven auf die Vergangenheit sind unvereinbar: Für die Rechtsparteien und die Kirche war Jugoslawien ein Irrweg; für die anderen war es ein notwendiges Durchgangsstadium, und der antifaschistische Kampf war eine historische Großtat. (Norbert Mappes-Niediek/DER STANDARD, Printausgabe, 23.9.2008)