Wien - "Die Telefonprotokolle lesen sich wie ein Thriller - ein derart komplexes Netz hab' ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen", erklärt Richterin Beate Matschnig vor den neun Angeklagten - fast alle gebürtige Georgier. Wie auch die Staatsanwaltschaft ist Matschnig absolut der Meinung, "dass es da um weit mehr geht, als angeklagt werden konnte".

Wichtigste Grundlage für die Anklage sind eben jene Protokolle einer umfangreichen Telefonüberwachung, die bereits 2006 durchgeführt wurde. Was inzwischen auch Spezialisten aus Deutschland übersetzten und aus den Gesprächen analysiert werden konnte, reicht für eine Anklage wegen der Bildung einer kriminellen Organisation und schwerer Erpressung.

Der Hauptangeklagte wird in diesen Telefonaten "gekrönter Dieb im Gesetz" genannt - eine Art Pate in russischen und georgischen Mafiaorganisationen. Dieser mutmaßliche "Dieb im Gesetz" sitzt nun im Nadelstreif und spitzen, weißen Schuhen vor Gericht, schaut gelangweilt und sagt - nichts. Seine mutmaßliche rechte Hand sitzt ihm gegenüber und erklärt immer wieder - "ich bleibe bei dem, was ich bisher gesagt habe. Den Rest überlasse ich Ihnen."

Auf die Frage, wovon sie denn in Österreich gelebt hatten, erklären zwei Angeklagte: "Überweisungen aus Georgien." Und von wem? "Privatsache." Ein anderer gibt "Import - Export" als Beschäftigung an.

Andere Tätigkeiten kennt man nun von der Telefonüberwachung. Bis in Justizanstalten hinein gingen die Anrufe: "Er sitzt in Stein, er ist ein Millionär, das Arschloch." - "Wir fordern Geld von ihm. Er ist bereits einmal erpresst worden." Und: "Du musst ihm sagen, es gibt draußen Leute, die sehr sauer sind und ihm das Leben schwermachen werden." Die neuen "Beschützer" forderten 7000 Euro. Oder es wurde ausgerichtet: "Er soll alles so organisieren, dass nichts passiert. Sonst wird man ihn umbringen." - "Wir halten ihn unter Terror." - "Ich werde ihm sagen, dass das Geld uns zusteht. Wir werden uns darum kümmern."

Anrufe nach dem "Besuch"

Wie so etwas "draußen" eingefädelt wurde, schilderte ein georgischer Geschäftsmann aus Donaustadt: Bei ihm sei in der Garage eingebrochen worden. Tags darauf kam ein Anruf: "Wir sind die, die dich besucht haben. Wir wollen dich treffen." Als er sich empörte, hieß es: "Dann bringen wir dich im Auto um." Und: "Wir wissen, dass du eine Frau und Kinder hast."

In anderen Telefonaten wurden Einbruchsdiebstähle per Handy dirigiert. Oder es wurde geschult: "Italien ist gut, aber da braucht man einen Profi. Hier ist es ein anderes System, man hat dünne Holztüren, die man aufmachen kann."

"Das sind nicht meine Gespräche", sagen die Angeklagten. Oder: Es sei nicht um Erpressung, sondern um "einen Vorschuss für eine Reise" gegangen. Drei Unterläufer geben etwas zu. Einen Einbruch, bei dem sie erwischt wurden.

Der Prozess soll heute, Dienstag, fortgesetzt werden. (Roman David-Freihs/DER STANDARD, Printausgabe, 23. September 2008)