Standard: Sie haben insgesamt wahrscheinlich einige hundert Jahre Freiheitsentzug verhängt. Haben Sie jemals an Ihrem eigenen Urteilsvermögen gezweifelt?
Makovsky: Eigentlich nie. Mich hat die Unschuldsvermutung immer begleitet. Wenn man in sich hört und nur den leisesten Zweifel spürt, dann steht man auf und sagt: 'Im Namen der Republik, Sie werden freigesprochen'. Da kann man immer gut schlafen.
Standard: Sie waren beinahe täglich mit den schlechten Seiten von Menschen konfrontiert. Wie lebt man damit?
Makovsky: Ich habe mich zeitlebens immer im Grenzbereich zwischen der Jurisprudenz und der Kunst aufgehalten. Wann immer ich die Realität einmal verlassen wollte, bin ich halt ins Theater gegangen, habe Musik gehört oder bin selber auf der Bühne gestanden. Die Schauspielerei ist für mich sicher auch eine Art Ausgleich. Man muss sich als Richter in manchen Situationen ganz bewusst auch selbst zeigen, dass die Welt auch schönere Seiten hat.
Standard: Österreichweite Bekanntheit erlangten Sie mit dem Vorsitz im Noricum-Prozess. Wurden durch das Bawag-Verfahren Erinnerungen an Ihren eigenen "Monster-Prozess" wach?
Makovsky: Seltsamerweise ja. Es war auch die Länge der Prozesse annähernd gleich. Man weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es die Vorsitzende hat. Es ist nicht leicht, ins Gericht zu gehen und plötzlich zu erfahren, dass man eine Bawag oder Norcium hat.
Standard: Profitiert man nicht auch davon, wenn man als Vorsitzender solcher Verfahren plötzlich im Rampenlicht steht?
Makovsky: Zuerst siehst du nur die Arbeit. Du fühlst dich nicht als Held im Talar. Beim Noricum-Prozess habe ich zuerst einmal eine Woche überlegt, mit welchem System ich an die Sache herangehe.
Standard: Und wie verhandelt man einen Prozess mit 18 Angeklagten?
Makovsky: Auf den Prozess selbst habe ich mich genau ein Jahr vorbereitet. In dieser Zeit gab es für mich absolut kein Privatleben. Du musst top vorbereitet sein. Du hast 18 Anwälte vor dir, die überzuckern sofort, ob du den Akt genau kennst. Und der umfasste immerhin rund 300.000 Seiten. Manche haben damals gesagt, dass das nicht mehr in einem Prozess verhandelbar ist. Um so mehr hat aber der Jimmy Makovsky gesagt 'Und es geht doch'.
Standard: Sie haben sich im Noricum-Prozess mit mächtigen SPÖ-Politikern angelegt. Gab es politischen Druck?
Makovsky: Nein. Ich hätte mir meine Objektivität auch nicht nehmen lassen, ganz egal, was passiert wäre.
Standard: Glauben Sie, haben sich nach der Noricum-Affäre die Kontrollmechanismen verändert?
Makovsky: Ich bin überzeugt, dass der Noricum-Prozess generalpräventiv etwas bewirkt hat und sich die Wirtschaft solche Geschäft heute besonders gut überlegt.
Standard: Bald hängen Sie nach 34 Jahren als Strafrichter die Richter-Robe an den Haken. Angst vor einem Pensionsschock?
Makovsky: Sicher nicht. Ich habe mir ein Fünf-Punkte-Pensions-Programm zurechtgelegt: Schauspielerei, Musik, Malerei, Theater und vor allem die Organisation von Ausstellungen für die Bilder meiner Frau. Sie malt wunderbar. (Markus Rohrhofer/DER STANDARD, Printausgabe, 23. September 2008)