Abdul Qadir war ahnungslos: Entspannt saß der Programmkoordinator der deutschen Friedrich-Ebert Stiftung in Islamabad Samstagabend in seinem Auto, denn der Verkehr auf den Straßen der pakistanischen Hauptstadt war spärlich. Wie die meisten Menschen, die zu Hause geblieben waren um den Ramadan zu feiern, freute er sich auf einen gemütlichen Abend in seinen eigenen vier Wänden. Von den Bomben, die zehn Kilometer entfernt das Hotel "Marriot" und gleichzeitig auch umliegende Gebäude zerstörten, bekam der Mann nichts mit. Zehn Minuten nach dem Anschlag drehte er in seiner Wohnung den Schlüssel um und schaltete den Fernseher ein. Erst dann sah er die Zerstörung - nicht nur am Hotel, sondern auch die Schäden, die die Bomben am Auslandsbüro der deutschen Konrad-Adenauer Stiftung, dem parteipolitische Pendant zur Ebert-Stiftung, angerichtet haben.
Gebäudeteile im Garten
Sein eigenes Büro liegt etwa drei bis vier Kilometer von dem Marriot-Hotel entfernt. Aus diesem Grund wurde es bei dem Anschlag auch nicht beschädigt. Im Gegensatz zum Anwesen der Konrad-Adenauer Stiftung: Das Büro befindet sich lediglich 400 Meter abseits von dem Hotel, durch die Druckwelle wurden Türen und Fenster zerfetzt. Die Kraft der Explosion war so stark, dass Gebäudeteile anderer Häuser in den Garten des Anwesens geschleudert wurden. Die Wachmänner, die sich zu diesem Zeitpunkt in dem Gebäude befanden, blieben unverletzt, erzählt Qadir.
"Es war Pakistans 11. September"
Der Aussage des pakistanischen Justizministers Farooq Naek, dass der Anschlag "Pakistans 11. September" gewesen war, muss Qadir zustimmen: "Zieht man die Auswahl des Anschlagzieles, das Ausmaß der Schäden und die Auswirkungen auf die Politik Pakistans in Betracht, dann wird verständlich, dass dieser Vorfall metaphorisch mit dem Anschlag in New York gleichgesetzt wird." Qadir kann die Angst und den Vertrauensverlust der Menschen in Islamabad gut nachvollziehen: "Schließlich geschah der Anschlag in einem der sichersten Orte der Hauptstadt." Der Mann kann sich noch an die Zeit erinnern, als Islamabad als sicherer Ort gegolten hat. Seit 2007 sieht die Situation jedoch anders aus: Menschen aus allen Bevölkerungsschichten sind in Aufruhr. Besonders bei den Reichen und Eliten im Land spürt man deren Anspannung. "Man zögert sogar, Supermärkte oder Einkaufszentren zu besuchen, obwohl in einer Woche das 'Eid ul-Fitr Fest' stattfindet, bei dem das Ende des Ramadan zelebriert wird. Normalerweise sind die Menschen in dieser Zeit damit beschäftigt, dafür Vorbereitungen zu treffen."
Abneigung gegenüber den USA
"Die Ablehnung der Pakistani gegenüber den Amerikanern ist noch nie so deutlich zum Ausdruck gemacht worden, wie jetzt", meinte Qadir. Obwohl der Anschlag sehr gut geplant war und der Zeitpunkt des Attentats vermuten lässt, dass die Bomben den Worten Zardaris gegolten haben: Qadir glaubt nicht an einer Verbindung zwischen dem Anschlag und der Rede des pakistanischen Präsidenten vor dem Parlament, in der den USA seine Unterstützung garantierte. Trotzdem meinen die Pakistani, bereits denjenigen gefunden zu haben, dem die Schuld an den Anschlägen zugeschoben werden kann: Ex-Präsident Musharraf und dessen Regierung. Schon vor dem 20. September standen die Menschen der USA-freundlichen Politik in ihrem Land kritisch gegenüber.
Nur "hausgemachte" Beschlüsse akzeptiert
"Vor allem das Leid ihrer Mitmenschen im Grenzgebiet Pakistans mit Afghanistan, das durch den Krieg dort verursacht wird, stößt der Bevölkerung schon seit mehreren Monaten bitter auf", so der Programmkoordinator der Friedrich-Ebert Stiftung. Mit den Anschlägen vergangenen Samstag mit über 50 Toten haben sich die Ressentiments gegenüber den Amerikanern nun verschärft. Qadir ist sich sicher, dass die Menschen in Pakistan dem Parlament ihre vollste Unterstützung zusprechen würden, wenn die Politiker Anti-Terror-Maßnahmen fassten - mit einer Voraussetzung: Diese Beschlüsse müssten "hausgemacht" sein und nicht von den Amerikanern stammen. (Honsig-Erlenburg Manuela, Martina Powell/ derStandard.at, 23.9.2008)