"Wir werden das Video dem Landesamt für Verfassungsschutz übergeben"

Wien - Es war dieser Tage nicht einfach, sich ein korrektes Bild über die Vorkommnisse auf der Westtribüne des Wiener Horr-Stadions anlässlich der UEFA-Cup-Partie zwischen der Wiener Austria und dem polnischen Verein Lech Posen zu machen. Philip Bauer sprach mit Austria-Fan-Koordinator Martin Schwarzlantner über die eigenartigen Geschehnisse und deren Konsequenzen.

derStandard.at: Was ist beim UEFA-Cup Spiel gegen Lech Posen tatsächlich auf der Westtribüne passiert?

Martin Schwarzlantner: An und für sich war es ein sehr ruhiges Spiel, auch von Seiten der polnischen Fans verlief alles sehr diszipliniert. In der Halbzeitpause gerieten einzelne rechtsorientierte Austria-Fans, die unregelmäßige Besucher dieses Stadions sind, mit den führenden Fanklubs in Streit, ließen den Vorsänger nicht mehr auf das Podest und nahmen ihm das Megaphon weg. Ein Bursche, den wir auf Video haben, skandierte dann xenophobe Parolen wie „Ausländer raus" und „Zick-Zack-Zigeuner-Pack" - worauf die anderen Leuten nicht eingestiegen sind und eigenständig gesungen haben. Ich habe zwar gesehen, dass uns der Vorsänger unbekannt ist, hörte aber erst nach dem Spiel von den Vorkommnissen. Aber so ist es eben mit der Zivilcourage, es ist leichter nachher etwas zu sagen, als den Burschen sofort vom Podium zu zerren. Außerdem könnten sich die Fans ja auch sofort an den Verein wenden...

derStandard.at: Meinen Sie nicht, dass es vom Durchschnittsfan zuviel verlangt ist, einen Haufen Rechtsradikale, mit vermutlich niedriger Hemmschwelle zur Gewalt, zu stellen?

Martin Schwarzlantner: Das ist richtig. Es gibt eben zwei Möglichkeiten: entweder ich wende mich an den Verein oder an die Polizei. Aber ich sage auch: die Leute müssen sich bewusst sein, dass sie hier absolut in der Überzahl sind. Wenn 500 Menschen zehn Wahnsinnige konfrontieren, werden es sich die zehn wohl auch noch mal überlegen... Aber klar, wir wollen uns nicht schlagen, leider leben die genau davon. Die sollen sich besser auf eine Viertelstunde im Wienerwald treffen, im Horr-Stadion braucht sie kein Mensch.

derStandard.at: Was könnte der Verein noch während des Spiels unternehmen?

Martin Schwarzlantner: Wenn mir ein Fan ein SMS schickt oder mich anruft, reagiere ich sofort, wir haben genug szenekundige Beamte und Polizei vor Ort. Diese Leute müssen das Stadion sofort verlassen. Die Austria ist nicht der richtige Platz für sie. Wir haben auf der West ein sehr weites Spektrum an Leuten, von links bis rechts, es gibt aber ein ganz klares Agreement, sich weder rechts- noch linksradikal zu äußern. Das hat sehr lange gut funktioniert, momentan haben wir das Gefühl, dass jüngere Leute hinzukommen, die sich positionieren wollen. Wir werden, auch im Sinne der breiten Fanbasis, dagegen vorgehen. Dann wird es vielleicht ein bisschen unruhig auf der West, aber diese Leute werden mit Sicherheit des Stadions verwiesen. Wir haben überhaupt kein Interesse an ihnen, wir brauchen von ihnen nicht einen Cent.

derStandard.at: Mich wundert, dass irgendwelche Leute das Vorsänger-Podest erstürmen können. Beim wesentlich hierarchischer konstruierten Block West von Rapid wäre das wohl ein Ding der Unmöglichkeit...

Martin Schwarzlantner: Das wäre in dieser Art sicher nicht machbar. Auch ich fragte die Fanklubs, wie das passieren konnte. Sie meinten, sie wären weniger Leute als normal gewesen. Das wurde intern besprochen, darauf wird reagiert, so etwas soll kein zweites Mal vorkommen.

derStandard.at: Was zieht der Verein nun für Konsequenzen? Sind die Täter ausgeforscht?

Martin Schwarzlantner: Wir werden das Video dem Landesamt für Verfassungsschutz übergeben. Mit den Gesichtern kann man dort mehr anfangen. Von unserer Seite gibt es ein unbefristetes Hausverbot, von der Bundesliga wird es dementsprechende Konsequenzen für ein bundesweites Verbot geben.

derStandard.at: Verzweifelt man manchmal eigentlich als Fan-Koordinator?

Martin Schwarzlantner: (lacht) Es ist immer wieder traurig, dass es zu Problemen kommt, die man schon für überwunden glaubte. Aber es gibt auch viele schöne Elemente, es ist bei weitem nicht alles schlecht, davon zehrt man. (Philip Bauer, derStandard.at, 23. September 2008)