Zipi Livni will die sechs Wochen, die ihr zur Bildung einer neuen israelischen Regierung zur Verfügung stehen, vielleicht gar nicht voll ausnützen. Sollte sich zeigen, dass eine Koalition nach ihren Vorstellungen nicht machbar ist, dann könnte Israels designierte Ministerpräsidentin schon in rund zehn Tagen den Auftrag zurückgeben und Neuwahlen herbeiführen. Erste Sondierungen ergaben eine Annäherung an die Arbeiterpartei, während die religiöse Shass-Partei kühl bleibt - sie will im Budget höhere Sozialleistungen verankern, worauf Livni sich kaum einlassen kann.

Montagabend hatte Staatspräsident Shimon Peres die 50-jährige Außenministerin formal mit der Regierungsbildung beauftragt. Peres hatte die vorgeschriebenen Beratungen mit den 13 verschiedenen Parlamentsfraktionen im Eiltempo durchgezogen. Der Ausgang war von vornherein festgestanden, denn als neue Chefin der mandatsstärksten Partei Kadima ist Livni die Einzige, die vielleicht im jetzigen Parlament eine Mehrheit finden kann. Israel brauche rasch eine "stabile Regierung", sagte Livni, Neuwahlen würden eine weitere lange Periode "ohne wirkliche Handlungsfähigkeit" bedeuten. Am liebsten wäre Livni eine breite Einheitsregierung, an der sie auch den Chef der jetzigen Rechtsopposition, Benjamin Netanyahu, beteiligen möchte. Wenn das nicht klappt, möchte sie die bisherige schmale Koalition mit der Arbeiterpartei fortsetzen.

Keine drei Stunden nach Livnis Rede ereignete sich in Jerusalem wieder ein "Fahrzeug-Anschlag". Ein 19-jähriger Palästinenser aus Ostjerusalem lenkte seinen BMW in eine Gruppe von Soldaten. 19 Personen wurden verletzt, der Angreifer wurde erschossen. In diesem Sommer ereigneten sich in Jerusalem bereits zwei ähnliche Vorfälle. Sofort wurde wieder darüber debattiert, ob die Häuser der Attentäter demoliert werden sollen. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 24.9.2008)