Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/dpa/Rolf Vennenbernd

Österreichische Forscher versuchen nun abseits herkömmlicher Herstellungsmethoden ideale Werkstoffe für Flugzeugtriebwerke oder Tragflächen zu entwickeln.

Foto: APA/dpa/Rolf Vennenbernd

Flugzeugtriebwerke oder Tragflächen müssen einiges aushalten: Hohe Geschwindigkeiten und viel Gewicht. Für ihre Bauteile werden daher besonders robuste Metalllegierungen benötigt. Forscher in Wien und Leoben versuchen derzeit, solche Werkstoffe zu verbessern, indem sie deren Mikrostruktur verändern. Damit die Werkstoffe eine geradezu erstaunliche Härte aufweisen, müssen sie winzige Partikel (von den Wissenschaftern "Ausscheidungen" genannt) enthalten, die möglichst gleichmäßig verteilt sind.

Da sich diese Strukturen im Nanometerbereich befinden, also in Größenordnungen von einigen Millionstel Millimetern, ist ihre Herstellung sehr schwierig. Zum Vergleich: Die normale "Körnung" einer Legierung, also die Kristallite im Metall, ist um das Tausendfache größer und liegt im Mikrometerbereich.

Das Christian-Doppler-Labor "Early Stages of Precipitation" mit Standorten an der TU Wien und der Montanuniversität Leoben widmet sich dieser Speziallegierungen. Kooperationen bestehen mit der Technischen Universität Graz und mit Industrieunternehmen wie Voestalpine oder Plansee Metall.

Ein "Trick" der Forscher: Sie heizen Werkstoffe vor der Fertigstellung erneut auf und kühlen sie dann rasch ab. Harald Leitner, einer der beiden Leiter dieses Christian-Doppler-Labors, schildert einen typischen Herstellungsvorgang: "Die Werkstoffe werden beispielsweise zuerst in eine Form gegossen, dann etwa durch Schmieden oder Walzen in die richtige Form 'umgeformt', und schließlich (sofort oder nach einer Auskühlphase) noch einmal in einem Ofen erhitzt."

Zwei Phasen

Wenn eine Metalllegierung abkühlt, entsteht oft eine Kristallisation in zwei Metallphasen, also zwei unterschiedliche Strukturformen des Metalls, wobei die entstehenden Partikel jedoch eher groß sind. Um die Partikel dieser zweiten "Phase" des Metalls in extremer geringer Größe zu erzeugen, wird die Metallprobe sehr rasch abgekühlt, es entsteht zunächst eine "übersättigte Lösung", und schließlich genau diese winzigen Partikel, welche die faszinierenden Eigenschaften des Flugzeugflügels oder Spezialwerkzeugs ausmachen.

Je nach Größe, Anzahl, Dichte und chemischer Zusammensetzung dieser Partikel variieren die Eigenschaften des entstehenden Materials. Um die Resultate der vielen Herstellungsvarianten zu untersuchen, sind – wegen der geringen Größe der Strukturen – sehr komplexe Geräte nötig: Beispielsweise werden die hauchdünne Metallproben von einem Transmissions-Elektronenmikroskop mit einem Elektronenstrahl durchleuchtet, der deutlich kleinere Details zeigt als sichtbares Licht. Eine andere Methode verwendet einen Neutronenstrahl, der in der Materialprobe an den winzigen Partikeln gestreut wird und daher über deren Eigenschaften Informationen liefert.

Metallnadel-Probe

Dabei ist es sogar möglich, auf einer winzigen Probe, die die Größe einer Metallnadel besitzt, festzustellen, welche chemischen Elemente sich an welcher Stelle befinden. Zu diesem Zweck wird eine sogenannte Atomsonde eingesetzt. Mittels Hochspannung werden von der Probe einzelne Atome abgedampft und fliegen je nach Elementmasse mit unterschiedlicher Geschwindigkeit zu einem ortssensitiven Detektor. Aus der Flugzeit lässt sich bestimmen, um welches chemische Element es sich handelt. Zudem kann dieser ortssensitive Detektor den Ursprung des Atoms auf der Probe lokalisieren. Versuchsreihen zur Entwicklung von idealen Werkstoffen sind meist langwierig und teuer. Damit Institute und Industrie in Zukunft gezielt auf gewünschte Werkstoffeigenschaften hinarbeiten können, wird im Doppler-Labor "Early Stages of Precipitation" auch an der Verbesserung einer speziellen Simulationssoftware gearbeitet. Diese soll vorhersagen, welche Eigenschaften ein Werkstoff aufgrund seiner Ausscheidungspartikel haben wird.

Daten von Experimenten werden derzeit in Simulationen eingearbeitet, und die Voraussagen dieser Rechenmodelle werden dann wieder im Experiment überprüft. "Wenn diese Software fertiggestellt sein wird, kann sie enorm viel Arbeit ersparen. Mit ihr kann ein Herstellungsverfahren am Computer konzipiert werden, anstatt viele mühsame und teure Varianten im Experiment zu erproben", resümiert Leitner.  (Gerhard Hertenberger/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.9. 2008)