Innsbruck - In der Volksschule kann nur jedes fünfte, in der Hauptschule gar nur jedes zehnte Kind mit nichtdeutscher Muttersprache muttersprachlichen Unterricht besuchen. Das steht in einer Studie der Tiroler Grünen. Tirol liegt mit seinen Möglichkeiten für muttersprachlichen Unterricht österreichweit damit im unteren Mittelfeld: Vorarlberg bietet seinen zweisprachigen Schulkindern weit mehr an, Niederösterreich weniger. Kärnten und Burgenland seien Sonderfälle, so die grüne Statistik.
Von den über 10.000 Tiroler Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache besuchen rund 4300 eine Volks- und noch einmal über 3000 eine Hauptschule. "In den Genuss muttersprachlichen Unterrichts, der eine Grundvoraussetzung für den Erwerb der deutschen Sprache ist, kommen aber gerade einmal 1212 Kinder", rechnet Grünewald vor. Und das in einer Zeit, in der Sprachenvielfalt auch wirtschaftlich immer wichtiger werde und "genutzt werden muss".
Keine große Nachfrage
Die Nachfrage am muttersprachlichen Unterricht sei aber nicht besonders groß, meint Ferdinand Treml, Bezirksschulinspektor für Innsbruck. Er schätzt, dass nur ein Drittel der Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache den Unterricht besuche. Für den speziellen Förderunterricht, der entweder am Vormittag an den Unterricht drangehängt werde oder Extra-Schulstunden am Nachmittag bedeute, braucht es eine Anmeldung durch die Eltern. Auch Treml wünscht sich, dass mehr Kinder ihre Muttersprache im Unterricht richtig erlernen. Es sei allerdings eine Frage von Ressourcen, also von Unterrichtsstunden und Personal, sagt der Schulinspektor.
Neben einem rechtlichen Anspruch auf den muttersprachlichen Unterricht verlangt Grünewald auch mehr Geld für zusätzliche muttersprachliche Lehrkräfte an den Tiroler Schulen: Zehn zusätzliche Lehrkräfte, in jeder Tiroler Schulstadt eine und in Innsbruck drei, kosten 300.000 Euro.
Das sei auch notwendig, meint Klaudia Binna vom Verein Multikulturell in Innsbruck: "Die meisten türkischen Kinder haben Sprachprobleme, sie können nicht richtig Deutsch, und auch ihre Muttersprache beherrschen sie nicht perfekt." "Doppelte Halbsprachigkeit" sei das Ergebnis, sagt Binna.
Auf verbesserte Fähigkeiten in der Muttersprache folgten auch bessere Bildungschancen, sagt Grünewald. Denn je höher der Schultyp, desto niedriger sei derzeit der Anteil von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache: "Und das in einer Welt, in der Sprachenvielfalt immer wichtiger wird." Die muttersprachlichen Lücken zu stopfen versucht unterdessen eine private Initiative. Die "Kindervilla" in Innsbruck bietet im Kindergarten Betreuerinnen, die auf den muttersprachlichen Hintergrund der Kinder eingehen. (Verena Langegger/DER STANDARD-Printausgabe, 24. September 2008)