Bauer Ricardo Ante bekommt vom Staat monatlich 20 Euro.

Foto: Dilger

Zumbahua/Quito - Ricardo Ante, der Mann mit dem Filzhut und dem dicken Poncho, blickt über die malerische Kulisse von Felsrücken und grünen Hügeln. Der 58-jährige Kleinbauer wohnt mit seiner Frau auf 3700 Metern Höhe in Ecuadors Andenkordillere in einem Weiler oberhalb des Dorfes Zumbahua. Die vier verheirateten Kinder sind weit weg, einzig ihr vierjähriger Enkel lebt bei ihnen. Die Erträge seiner Kartoffel- und Bohnenfelder reichen kaum zum Überleben. Gut, dass seine Frau wenigstens den „bono solidario" bekommt, einen staatlichen Monatszuschuss in Höhe von etwa 20 Euro.

Wie viele seiner Nachbarn setzt Ante seine Hoffnungen in Präsident Rafael Correa und dessen „Bürgerrevolution". Beim Referendum über die Verfassung am kommenden Sonntag will er darum mit „Ja" stimmen. Das neue Grundgesetz, das ein Verfassungskonvent Ende Juli verabschiedet hatte, soll nach Wunsch des linken Präsidenten die alten Eliten entmachten, die „lange neoliberale Nacht" beenden und seine eigenen Befugnisse stärken.

Vor gut 20 Jahren hatte Correa ein Jahr in Antes Dorf Zumbahua unterrichtet. Vor seinem Amtsantritt im Jänner 2007 ließ er sich auf dem Marktplatz von Zumbahua segnen und einen indigenen Herrscherstab überreichen. „Das war sehr bewegend", erinnert sich Ante. Ein Drittel der Ecuadorianer sind wie er Nachfahren der Ureinwohner. Von dem Reichtum an Erdöl und Bodenschätzen auf ihrem Land haben sie aber nichts, im Gegenteil: Das Land, auf dem in den vergangenen 40 Jahren Erdöl gefördert wurde, ist verwüstet. Auch Gesundheitsversorgung und Bildungschancen lassen zu wünschen übrig. Kein Wunder, dass die Aktivisten der indigenen Bewegungen einen anderen Staat wollen. Mit Protesten stürzten sie vor acht Jahren Präsident Jamil Mahuad, verhinderten 2006 ein Freihandelsabkommen mit den USA und ebneten Correa den Weg zum Wahlsieg. Doch das Verhältnis zum Staatschef ist nun gespannt. „Wir fühlen uns nicht von ihm respektiert", sagt Blanca Chancoso vom indigenen Dachverband Conaie.

Ihr Kollege, der 36-jährige Kichwa-Indianer mit dem langen Pferdeschwanz, Floresmilo Simbaña, pflichtet ihr bei: „Correa will schon ein Bündnis mit uns - solange er den Ton angibt." Als „riesigen Fortschritt" sieht er aber, dass der Staat fortan als „plurinational" definiert sein soll: „Das bedeutet, dass wir nicht nur als individuelle Bürger auftreten, sondern auch als indigene Völker - mit kollektiven Rechten und Pflichten."

Die Richtschnur in der Verfassung, die den Ecuadorianern zur Abstimmung vorliegt, lautet „sumak kawsay", das Konzept vom „guten Leben", das auf die Weltsicht der Ureinwohner aus den Anden zurückgeht. „Wir begreifen das Leben und die Wirtschaft als vielschichtige Phänomene, die sich nicht auf Markt oder Staat reduzieren lassen", so Simabaña. „Wenn wir Revolution nur als Stärkung des Staates begreifen, dann laufen wir Gefahr, unsere Entwicklung weiterhin auf die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft und der Natur zu gründen." Correa hingegen will seine Sozialreformen weiter mit Erlösen aus der Rohstoffförderung finanzieren. Einwände von Umweltaktivisten tut er als „kindischen Linksradikalismus" ab. (Gerhard Dilger/DER STANDARD, Printausgabe, 25.9.2008)