Jeder mit jedem. Wie es ihnen gefällt. Bunte Mehrheiten. Je nachdem, was gerade für ein Antrag abgestimmt wird. Begutachtung? Keine Zeit. Es muss schnell gehen, am Sonntag wird gewählt. Das nennt man "freies Spiel der Kräfte" . Aber ist das auch "guter" Parlamentarismus, der am Mittwoch im Hohen Haus geboten wurde?
Nur bedingt, lautet die Antwort von Politikwissenschafter Ferdinand Karlhofer im Standard-Gespräch: "Das sogenannte freie Spiel der Kräfte ist in diesen Tagen eine Experimentierbühne für das, was nach der Wahl passieren könnte. Alles, was jetzt passiert, ist rechtens, aber das Parlament wird zur Bühne für die Inszenierungsaktivitäten der Parteien."

Nur, rechtens ist ja schön und gut und wichtig, sagt der Leiter des Instituts für Politikwissenschaft an der Uni Innsbruck, aber: "Wie sehr sind Legitimität und Seriosität der Beschlüsse noch gegeben? Dieser Nationalrat wird für die Umsetzung der Weichenstellungen per Schnellverfahren durch rasch zusammengeklitterte Zweckarrangements nicht mehr verantwortlich sein." Für die Parteien sei der bis in die Nacht reichende Parlamentstag am Mittwoch vier Tage vor der Wahl vor allem eine treffliche Gelegenheit, die Wählerinnen und Wähler "bei den Emotionen zu packen" , so Karlhofer. Das hat aber einen Preis: "Der Geist des Parlamentarismus wird durch solche Inszenierungsaktivitäten ad absurdum geführt und missbraucht."

Karlhofer kritisiert noch etwas sehr Grundsätzliches, das auch für das derzeitige Interregnum zwischen geplatzter alter und noch nicht gewählter neuer Regierung gilt. Die österreichische Politik neige dazu, "dass in letzter Minute, wo klar ist, dass diese Regierung nicht mehr verantwortlich sein wird, noch schnell Personalentscheidungen von großer Tragweite gefällt werden oder unverhohlen Werbung mit Regierungsinformationsbudgets gemacht wird" , was eine "Parallelfinanzierungsschiene für Wahlwerbung" sei. Da wären neue, vom Rechnungshof kontrollierte Regeln für die Ausgabentätigkeit ab dem Zeitpunkt der Festlegung eines Wahltermins bis zur Bestellung der nächsten Regierung nötig. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 25.9.2008)