Wien - Angesichts der Turbulenzen auf dem US-Bankenmarkt hat der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, die Regierungen in Europa zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen. Der IWF geht im Zusammenhang mit der Kreditkrise mittlerweile von Belastungen in Höhe von 1,3 Billionen Dollar (885Mrd. Euro) für das weltweite Finanzsystem aus. Die frühere Schätzung belief sich auf bis zu 1,1 Bio. Dollar. "Es kann ratsam sein für die Europäer, sich für den Ernstfall zu wappnen" , warnte Strauss-Kahn.

Keine Trendwende absehbar

Ewald Nowotny, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, sieht die Finanzkrise durch das Eingreifen der US-Regierung und der Notenbanken zwar stabilisiert, eine Erholung sei aber noch nicht in Sicht: Die Verschlechterung des globalen Wirtschaftsausblicks, die hohe Inflation, negative Unternehmensergebnisse sowie fallende Häuserpreise "werden auch in der nächsten Zeit einen negativen Einfluss auf den Finanzsektor ausüben und lassen aus meiner Sicht keine schnelle Trendwende erkennen" , so Nowotny.

US-Notenbankpräsident Ben Bernanke hat ein düsteres Bild von der Lage der US-Wirtschaft gezeichnet und vom US-Kongress eindringlich die Bewilligung des 700 Mrd. Dollar schweren Hilfspakets für die angeschlagene US-Finanzwirtschaft gefordert. Dieses Paket würde jeden Amerikaner 2300 Dollar kosten. Bernanke äußerte sich so negativ über die Konjunkturaussichten wie noch nie seit Beginn der Finanzkrise. Das schwache US-Wirtschaftswachstum könnte weiter abgebremst werden, warnte Bernanke.

Auch in den Chefetagen deutscher Firmen nimmt die Rezessionsangst zu. Die Top-Manager blicken laut Ifo-Index so skeptisch auf ihre künftigen Geschäfte wie seit Anfang 1993 nicht mehr.

Zu kämpfen haben auch die deutschen Banken. Laut Handelsblatt sollen die deutschen Genossenschaftsbanken Lehman-Papiere von insgesamt bis zu einer Mrd. Euro besitzen. Getroffen wurde erneut die HSH Nordbank, sie muss weitere 500 Mio. Euro abschreiben.

Bei der Staatsbank KfW sollen nun jene Manager fristlos gekündigt werden, die für die Millionen-Überweisung an die damals kurz vor der Pleite stehende Lehman Brothers verantwortlich sein sollen. KfW hätte es noch schlimmer treffen können: Am Tag der Lehman-Pleite waren 173 Währungs-Swaps über 20,2 Mrd. geplant, die aber gestoppt werden konnten.

Japans Banken zeigen hingegen Muskeln. Die Finanzgruppe Sumitomo Mitsui will Geld in Goldman Sachs pumpen, Gerüchten zufolge bis zu drei Mrd. Dollar. Mitsubishi UFJ will den Kauf von bis zu 20 Prozent an Morgan Stanley prüfen.

Verschont bleiben aber auch Japans Banken nicht: Vor Filialen der Bank of Asia haben sich am Mittwoch lange Schlange von Kunden gebildet, die ihr Geld zurückverlangten. Die Bank ist Gegenstand unbestätigter Gerüchte, denen zufolge ihre Stabilität infrage steht.
Die Europäische Zentralbank hat am Mittwoch 40 Mrd. Euro in das Bankensystem gepumpt. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.9.2008)