Morgen beginnt in Wien der Aromakongress. Wissenschafter, Mediziner und Phytotherapie-Experten werden sich zwei Tage lang auf hohem Niveau dem Thema "Ätherische Öle" widmen. Einer der Vorsitzenden ist Gerhard Buchbauer, Vorstand des Departments für Klinische Pharmazie und Diagnostik, an der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien. Im Gespräch mit Andrea Niemann erklärt er, wie ätherische Öle wirken und welcher medizinische Nutzen bisher wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte.
derStandard.at: Sie sagen, dass ätherische Öle eindeutig auf den Körper wirken. Wie lässt sich das nachweisen?
Buchbauer: Man kann sowohl im Tierversuch, als auch im Humanversuch sehen, dass ätherische Öle im Gehirn nachgewiesen werden können. Gerüche bestehen aus dampfförmigen Molekülen. Diese nehmen wir wahr und sie reizen einerseits den Riechnerv, der eine elektrische Information an das Gehirn weitergibt. Auf der anderen Seite gelangen die Moleküle über die Nasenschleimhaut sehr rasch ins Blut und kommen über die Blut-Hirnschranke ins Gehirn.
derStandard.at: Was bewirken die Moleküle im Gehirn?
Buchbauer: Wir haben zum Beispiel bei Lavendelöl mit den Hauptinhaltsstoffen Linalool und Linalylacetat festgestellt, dass diese psychischen Stress reduzieren. Man wird ruhiger und konzentrierter. Unter Lavendelduft können eindeutig mathematische Aufgaben besser gelöst werden und man entspannt sich besser. Wir haben auch untersucht, dass schüchterne Schüler Gelerntes an der Tafel mit Lavendel besser wiedergeben als ohne. Das heißt es wirkt auch angstlösend.
derStandard.at: Wie wurden diese Faktoren gemessen?
Buchbauer: Die Stressreduktion zum Beispiel durch das Stresshormon Cortisol, das im Speichel enthalten ist. Unsere Probanden wurden psychosozialen Stressfaktoren ausgesetzt und wir konnten nachweisen, dass sowohl in der Stresssituation als auch in der Abklingphase Linalool den Stressabbau verstärkt. Dafür gibt es autonome Messparameter wie
eine sinkende Herzschlagfrequenz, ein Sinken des systolischen Drucks oder eine geringere Hautleitfähigkeit.
derStandard.at: Wirken künstliche Aromen genauso wie natürliche?
Buchbauer: Die Wirkung ist ident. Das ist der große Irrtum, dass viele Menschen meinen, nur Natürliches wirkt richtig und eine Einzelsubstanz ist nichts. Tatsächlich aber ist es wie beim Wein. Derselbe Grüne Veltliner schmeckt aus Falkenstein anders, als der aus Retz. Es kommen beim Wein wie bei den ätherischen Ölen so viele Natureinflüsse hinein, dass es absolut falsch, esoterisch und unwissenschaftlich ist sagen, dass nur die natürliche Substanz wirkt.
derStandard.at: Worauf kommt es an?
Buchbauer: Es kommt einzig auf die Inhaltsstoffe an. Beim Lavendelöl gibt es rund 33 verschiedene Hybride (Anm.: Arten), die alle unterschiedlich sind. Nehme ich zum Beispiel ein Öl mit einem hohen Kampfergehalt um besser einschlafen zu können, so wird das nicht funktionieren, da Kampfer aufmunternd wirkt. Das heißt die Menge und das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten sind das Wesentliche.
derStandard.at: Das heißt in der medizinischen Aromatherapie wären synthetische Öle vorzuziehen?
Buchbauer: Das habe ich nicht gesagt. Wenn es leicht möglich ist, kann man das auch herausdestillieren. Nur soll man nicht grundsätzlich die synthetischen Öle ablehnen. Chemie ist nicht böse.
derStandard.at: Wo könnten ätherische Öle therapeutisch eingesetzt werden?
Buchbauer: Nerolidol ist ein Wirkstoff, der in vielen ätherischen Ölen vorkommt und antiviral wirkt. Um 50 Prozent der Viruspopulation zu zerstören, braucht man eine effektive Konzentration von zehn Mikromolar. Das haben wir in-vitro beim Mauspolyoma Virus nachgewiesen.
Beim Menschen konnte eine italienische Forschergruppe die Wirkung von Lorbeeröl beim SARS- Coronavirus und von Thujenöl bei Herpes Simplex nachweisen. Eine antikanzerogene Wirkung wurde beim Süßorangenöl festgestellt, das den Wirkstoff D-Limonen in einer Konzentration von bis zu 95 Prozent enthält. Wird D-Limonen im Körper abgebaut, entsteht Perillyl Alkohol, der wiederum in der Lage ist, Tumore zu hemmen. Auch die Aboptose (Selbstzerstörung der Zellen) wird gefördert.
derStandard.at: Wäre hier an eine mögliche Krebstherapie zu denken?
Buchbauer: In den USA gab es bereits eine Phase3 Studie mit Perillyl Alkohol bei Brustkrebspatientinnen. Solange sie Perillyl Akohol bekamen, kam es zu keinem Tumorwachstum. Wurde er abgesetzt, wuchs der Tumor weiter. Das heißt es gab keinen therapeutischen Erfolg und Perillyl Alkohol wurde wieder in Phase2 zurück gestuft.
Im Grunde ist es aber nichts anderes als die Ernährungs-Empfehlung fünfmal am Tag Obst oder Gemüse zu essen. Denn in den meisten Obst und Gemüsesorten sind viele dieser ätherischen Öle enthalten. So kann man einfach die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung verringern, da diese antioxidativ wirken und die Aboptose fördern.
derStandard.at: Ätherischen Ölen wird auch eine antibakterielle und antifungale Wirkung nachgesagt.
Buchbauer: Lavendelöl, Pfefferminzöl oder Rosenöl sind dafür bekannt. Viele Öle haben eine Keim hemmende Wirkung, die in der Wundbehandlung eine Rolle spielt. Das prominenteste ist sicher das Teebaumöl. Das Problem ist, dass es hier in den 1990ern sehr viele Verfälschungen gab. Entscheidend beim Teebaumöl ist, dass es viel Terpineol enthält.
derStandard.at: Kann ich diesen Gehalt auf den Fläschchen ablesen?
Buchbauer: Leider nicht. Der Kunde muss vertrauen. Wir haben bei Supermärkten verschiedenste Öle gekauft und eine Untersuchung gemacht. Da war zum Beispiel ein Zitrusöl ein Zedernholzöl. Im Fachhandel müsste man aber annehmen, dass die Originalöle verkauft werden.
derStandard.at: Beim Aromakongress wird ihr Kollege Hanns Hatt den Vortrag: "Die Macht der Düfte" halten- was ist da gemeint?
Buchbauer: Wie das Verhalten gesteuert wird. Gerüche wirken, auch wenn man sie nicht riecht. Das lässt sich auch bei der Empfängnis nachweisen. Die Samenzellen werden durch einen Duftstoff der Eizelle angelockt. Und je näher die Samenzellen der Eiszelle kommen, um so stärker wird die Bewegung des Spermienschwanzes. Das ist vergleichbar mit der Fährtensuche eines Hundes. Das ist phantastisch.