Wenn zwischen zwei Wesen ein Licht aufgeht: Zwei Roboter weisen der Menschheit in "Wall-E"  den Weg in eine bessere Zukunft.

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Wien - Krabbelwesen unter der Erde, Spielzeugheere auf Fußböden, Monster in Schränken, Fische in den Tiefen der Meere und Nager in Großküchen: Nach all den schillernden Wesen und ihren entsprechenden Welten war es nur eine Frage der Zeit, bis die Animationsexperten aus den Pixar-Studios den Schritt in neue Galaxien vornehmen würden.

Nun ist es geschehen, doch anders, als man erwartet hätte. Denn Wall-E, in seiner wehmütigen Schönheit der vielleicht reifste Film aus der Kaderschmiede von Produzent John Lasseter, setzt gleich zu Beginn auf mutige Reduktion anstatt auf kreatürliche Überbevölkerung wie beispielsweise in George Lucas' digital überarbeiteten Star Wars-Epen.

Der Blaue Planet ist in einer unbestimmten Zukunft zur bräunlichen Mülldeponie verkommen. Die Skyline von New York hat sich um pyramidenartige Gebilde erweitert, ganze Berge aus unzähligen quadratischen Pressblöcken stehen da, von menschlichen Regungen aber fehlt jede Spur. Bloß ein kleiner Roboter names Wall-E (eine Abkürzung für "Waste Allocation Load Lifter") geht unbeirrt seiner Tätigkeit nach: Er sortiert die Überreste einer in ihrem Konsumrausch versunkenen Lebenswelt, schaufelt sie in sein Inneres und spuckt sie als Würfel wieder aus. Er ist der letzte seiner Art. Er ist bis auf eine Kakerlake ganz allein. Er ist, bei Wesen seiner Art keine Selbstverständlichkeit: ganz schön einsam.

Wie der Held aus dem Sciencefiction-Klassiker The Omega Man - der erste von etlichen Rekursen auf Genrevorläufer - hat Wall-E eine Art museales Bewusstsein entwickelt. In einem Container bewahrt er Gegenstände einer vergangenen Zivilisation auf, Dinge, die über ihre eigentliche Funktion hinaus Erinnerungsträger geworden sind: einen Zauberwürfel, eine Glühlampe oder eine Videokassette von Hello Dolly!, einem Hollywood-Musical von Gene Kelly, bei dessen Tanznummer der blecherne Umweltaktivist ins Schwärmen gerät. Wohlgemerkt sind es Reste einer analogen Welt, denen diese digitale Nostalgie gilt.

Fingerzeig aus dem Himmel

Die verblüffend realen Settings wurden unter der Regie von Andrew Stanton mit viel Liebe zum Detail animiert. Noch bemerkenswerter aber ist die Stille und Langsamkeit dieser Szenen. Wall-E schließt nicht nur damit an den Beginn des US-amerikanischen Unterhaltungskinos an. Charlie Chaplins romantischem Stummfilm City Lights erweist er dabei am deutlichsten seine Reverenz: Denn mitten in die Leere, wie ein Fingerzeig aus dem Himmel, kracht Eve, ein weiterer Roboter, der in der Evolution ein paar Generationen weiter ist, einem iPod sehr ähnlich sieht (Apple-Boss Steve Jobs war auch Pixar-Gründer) und nach pflanzlichen Überlebenden sucht. Und sie wird fündig, dank Wall-E.

Die ökologische Heilserzählung des Films traf in den USA den Zeitgeist einer Politik, die gerade wieder auf den sehr amerikanischen Glauben an Regeneration pocht. Wall-E entwirft eine Rettungsmission, die die füreinander schwärmenden Roboter ins All, genauer: zu einer All-inclusive-Oase der Menschheit führt. Die Bewohner schweben dort wie Mehlsäcke durch ihr gleichförmiges Leben. Es liegt an den Robotern, ihnen zu zeigen, was sie einmal alles konnten. Stanton findet dafür großartige Bilder: Während der Kapitän in einer an Kubricks 2001 angelehnten Szene einen großen Schritt für seine Spezies tut, tanzen Wall-E und Eve in der Schwerelosigkeit. (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.9.2008)