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Kinder spielen am Ufer des Tana-Flusses in Kenia. Die bisher unterentwickelte Region soll zum Zuckeranbaugebiet werden. Umweltschützer protestieren.

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Wenn die Sonne den Nebel vertreibt, der am Morgen den TanaFluss bedeckt, verwandeln sich die Schatten am Ufer in Krokodile. In Gruppen von zehn oder mehr liegen die gelb-grünen Kolosse dort, wo die sumpfige Grasebene auf den Fluss trifft. "Da drüben, ein Mangroven-Eisvogel", lenkt Kazungu den Blick auf leuchtendes Gefieder. Kazungu ist Führer in der Wildnis, die Kenias Küste im Nordosten des Landes bedeckt. Wer den Badeort Malindi in Richtung Somalia verlässt, der landet nach drei Stunden im Delta des Tana.

"Bis vor ein paar Jahren haben die Shifta, somalische Banditen, Raubzüge veranstaltet", weiß Kazungu, der seit 27 Jahren am Fluss zu Hause ist, "deswegen sieht es hier immer noch so aus wie vor Jahrzehnten." Doch mit dem Frieden könnte es schon bald vorbei sein. Denn wenn es nach dem Willen von Kenias größtem Zuckerproduzenten Mumias geht, werden Moore und Feuchtwiesen unter einer 20.000 Hektar großen Zuckerrohrplantage verschwunden sein.

Die wahren Kosten nicht eingerechnet

"Der Großteil der Ernte soll in Bioethanol verwandelt und als Treibstoff nach Europa verkauft werden", sagt Serah Munguti von der Umweltorganisation Nature Kenya. Die Fabrik soll neben den Plantagen errichtet werden. Der aus dem Westen Kenias stammende Zuckerproduzent prognostiziert einen jährlichen Gewinn von mindestens zwölf Millionen Euro.

Solche Gewinne, sagt Munguti, sind nur realisierbar, weil die wahren Kosten nicht eingerechnet sind. "Mumias will gut ein Drittel des Flusswassers umleiten, um die Plantagen zu bewässern, mit katastrophalen Folgen für Natur und Bevölkerung." Laut Munguti würden Gewinne aus Landwirtschaft, Viehwirtschaft und Ökotourismus das Dreifache dessen einbringen, was Mumias verspricht. Doch die Umweltbehörde gab grünes Licht für das Zuckerprojekt.

"Wir sind ein Dorf voller Arbeitsloser"

Der Nordosten Kenias gilt als vergessener Landstrich. Dass der Region zum ersten Mal ein Großprojekt angeboten wird, begrüßt Ali Omar Buya. Der Ortsvorsteher des Bauerndorfs Shirigishu befürwortet "maendeleo", Entwicklung, im westlichen Sinne. "Wir sind ein Dorf voller Arbeitsloser, Mumias hat uns Jobs versprochen, und das ist es, was wir brauchen."

Für kenianische Verhältnisse ist Shirigishu wohlhabend. Die vom Fluss bewässerten Reisfelder erwirtschaften Überschuss, es gibt Mais, Bohnen und Spinat. Die Ziegen sind fett, und Fischer in ihren Kanus angeln genug Fische aus dem Tana. Es gibt eine Schule und eine Krankenstation. Doch nach westlicher Lesart sind die Bewohner arm. Das Zuckerrohr soll das ändern.

Gewaltmarsch durch den Sumpf

Anders in Darga, zwei Stunden Gewaltmarsch durch den Sumpf entfernt. "Mumias will das Land, unser Land, und wir gehen leer aus", sagt Rafu Bobo. Man habe die Mumias-Leute "einfach fortgejagt". Die Dörfer werden von nomadischen Viehhirten bewohnt. Sie sehen sich als wahre Besitzer des Landes, sie hätten "gegen die Shifta darum gekämpft". Ein anderer Dorfbewohner sagt: "Wir haben sie besiegt, wir werden auch die Invasion durch das Zuckerrohr verhindern." (Marc Engelhardt, DER STANDARD, Printausgabe, 26.9.2008)