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Der Politikwissenschafter Fritz Plasser und der Sozialforscher Peter Ulram bieten mit ihrem Buch (erschienen in facultas-Verlag) zu den Nationalratswahlen 2006 einen Überblick über die Wechselwähler, Themen und Ereignisse.

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Das Buch zur Wahl 2006: Kanzler, Kampagnen, Kapriolen. Analysen zur den Nationalratswahlen gibt es nicht nur von den Herausgebern Thomas Hofer und Barbara Tóth sondern auch Journalisten und Politiker der Parteien selbst.

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Über Medien und Politik im Nationalratswahlkampf 2006 informiert das Buch "LOSTAGE". Erschienen ist das Werk von Gabriele Russ und Heinz P. Wassermann im Leykam Verlag.

Die Nationalratswahlen 2008 haben schon jetzt Geschichte geschrieben: Noch nie waren so viele Österreicher wahlberechtigt, zum ersten Mal wählen 16-Jährige und bundesweit kandidieren so viele Parteien wie noch nie. Doch wie sahen die Ergebnisse, Wählerströme und Höhepunkte nach den Nationalratswahlen vor knapp zwei Jahren aus? Wer war Gewinner? Wer musste die größten Verluste verzeichnen? derStandard.at hat sich die Zahlen und Fakten zur Wahl 2006 angesehen.

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Wer wählte 2006?

Insgesamt waren 2006 6.107.692 Österreicher wahlberechtigt. Von den 4.793.780 abgegebenen Stimmen waren 85.499 ungültig. Die Wahlbeteiligung war mit 78,5 Prozent so niedrig wie noch bei keiner Nationalratswahl in der Zweiten Republik. Mit 12,5 Prozent erreichte der Anteil der Wahlverweigerer seinen höchsten Wert. Der Prozentsatz der "Spätentscheider" mit 24 Prozent und der "Wechselwähler" mit 26 Prozent waren 2006 ebenfalls auf ihrem historischen Höchststand. Der Anteil der so genannten "Traditionswähler" war 2006 am niedrigsten - nur 54 Prozent der Wähler zählten sich zu der Schicht, für die Interessensvertretung und Tradition ausschlaggebende Motive für die Wahl der Parteien SPÖ und ÖVP waren.

Wer wurde gewählt?

SPÖ: 35,3%

ÖVP: 34,3% 

FPÖ: 11,04%

Grüne: 11,05%: Die Grünen erreichten damals ihr bestes Wahlergebnis und lagen mit nur 532 Stimmen vor der FPÖ.

BZÖ: 4,11%

Matin: 2,80%

KPÖ: 1,0%

NFÖ (Neutrales Freies Österreich): 0,2%

Was waren die Verluste der Parteien im Vergleich zu 2002?

SPÖ: -1,2% ( - ein Mandat)         SPÖ: 36,5%
ÖVP: - 8% (minus 13 Mandate)     ÖVP: 42,3%
FPÖ: + 1,0 (plus 3 Mandate)        FPÖ 10%                            
Grüne: + 1,6 (plus vier Mandate) mit 9,5%
BZÖ: -

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Wie sah der typische Wähler der jeweiligen Partei aus?

Der typische SPÖ-Wähler war vor zwei Jahren ein männlicher Pensionist, der einst als Arbeiter mit Pflichtschulbildung sein Geld verdient hatte.
Das typische Bild einer ÖVP-Wählerin: Eine weibliche Pensionistin, die einst als Landwirtin tätig war und die ihre Matura oder eine Universitäts-Ausbildung abgeschlossen hat.
Ein männlicher Pensionist, der früher als Angestellter gearbeitet hatte mit einer Fach- oder Berufsschule galt 2006 als typischer FPÖ-Wähler.
Die Grünen-Wählerin war eher eine erwerbstätige oder auszubildende Frau unter 30 Jahre mit Matura oder einen Universitäts-Abschluss.

Gab es Wählergruppen, die sich 2006 anders als 2002 entschieden haben?

Der ÖVP verlor vor allem Stimmen bei Facharbeitern und männlichen Pensionisten. Nur unter den erwerbstätigen Männern und Landwirten konnte die Volkspartei Mehrheiten gewinnen. Die SPÖ gewann hingegen bei den ArbeiterInnen und punktete auch bei den über 70-jährigen Wählern. Die FPÖ feierte 2006 ihren Erfolg mit ihrem Stimmenzuwachs bei den Arbeitern, während die Grünen bei der jüngeren Wählergeneration und bei erwerbstätigen Frauen Stimmen für sich gewinnen konnte.

Haben sich damals viele Wähler für eine andere Partei als im Jahr 2002 entschieden?

Während man bei den Wahlen 2002 noch von einem "Jahrhundertstrom" von der FPÖ zur ÖVP (mit über 600.000 Stimmen) sprach, waren vier Jahre später solche Ausmaße nicht der Fall. Vielmehr beschäftigte die Analytiker die "Nichtwählerschaft", die mit 21,5 Prozent damals ihren Höhepunkt erreichte.

Die treuesten Wähler gab es 2006 in der SPÖ: 80 Prozent der SP-Wähler machte bei den Nationalratswahlen 2006 wieder bei den Roten ihr Kreuz. Auffällig ist, dass besonders die Grünen von dem Verlust der ÖVP profitierten: Jeder fünfte Grünwähler im Jahr 2006 kam von der ÖVP. Das BZÖ, das erstmals bei Nationalratswahlen antrat, bekam rund ein Drittel der Stimmen von ehemaligen ÖVP Wählern und ein weiteres Drittel von übergelaufenen FPÖ Wählern.

Wer war der typische Wechselwähler?

Eine 45 bis 59- jährige Frau in Frühpension mit Fachschulbildung zählte laut Wahlanalysen 2006 zu den typischen Wechselwählern. Die meisten Wechselwähler gab es 2006 in der FPÖ - nur 49 Prozent von denjenigen, die 2002 die FPÖ gewählt hatten, stimmten auch am 1. Oktober 2006 wieder für die blauen. Überraschenderweise zählten sich die meisten Männer unter 30 Jahre, die sich noch in Ausbildung befanden, zu den Personen, die definitiv "keine Wechselwähler" seien.

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Was waren die Themen, die den Wählern damals wichtig waren?

Der BAWAG-Skandal war während des gesamten Wahlkampfs präsent. Auch die Europapolitik spielte in den Debatten vor rund zwei Jahren eine Rolle. Knapp vor den Wahlen am 1. Oktober erreichte die Diskussion rund um den "Pflegenotstand" ihren Höhepunkt, als die frühere Beschäftigung einer slowakischen Pflegerin im Umfeld des VP-Spitzenkandidaten Wolfgang Schüssel bekannt wurde. Laut Wahlbefragungen war sowohl die Thematik rund um die Sicherung von Arbeitsplätzen als auch die Ausländerpolitik für viele Österreicher wahlentscheidend.

Was waren die Fragen, die im Wahlkampf eine Rolle? 

EU- Erweiterung in den Osten und vor allem: Soll Österreich einen Türkei-Beitritt zustimmen? Außerdem: Wann kommt die EU-Verfassung und darf der Österreichische Staatsbürger darüber abstimmen, so wie die Franzosen und Niederländer?
Wie viele Abfangjäger und wie teuer?
Wie kann wer neue Arbeitsplätze schaffen?
Wie soll die Pensionsreform stattfinden? zu Lasten der Pensionisten oder der Jungen?
Gesundheitssystem: Wie hoch steigen die Selbstbehalte?
Wie geht man mit den 40.000 illegal beschäftigten, ausländischen Krankenpflegern um? Soll man billige Pflegekräfte weiterhin beschäftigen dürfen oder sie - wegen Verdrängung heimischer Krankenpfleger - verbieten?
Wie viel Zuwanderung braucht Österreich?

(Martina Powell, derStandard.at, 26.9.2008)