Eine lange Nase und mein zackiges Profil reizten zur Karikatur. Aber mir scheint, dass die meisten Maler über der Karikatur das Porträt vergaßen", behauptete Joachim Ringelnatz, der Mann mit den mehreren Dutzend Berufen, der 1883 als Hans Gustav Bötticher in Wurzen auf die Welt gekommen war. Warum sich der Schriftsteller, Kabarettist, Maler, Matrose, Werbetexter, Possenreißer, Kurzzeitbuchhalter, Privatbibliothekar und Dichter ab 1919 mit dem Erscheinen seiner ersten Gedichte den Namen Ringelnatz zulegte, ist nicht ganz geklärt. Die wahrscheinlichste These lautet, dass es sich um eine Verballhornung des Begriffs "Ringelnass" handelt, was unter Seeleuten angeblich so viel bedeutet wie "Seepferdchen".

Seine Frau Leonharda Pieper nannte Ringelnatz "Muschelkalk", somit passt das irgendwie zusammen. Obwohl er aus wohlbestallter Familie stammte, schrammte Ringelnatz zeitlebens an der Elendsgrenze entlang. Vorübergehend verkleidete er sich sogar als Wahrsagerin und sagte Prostituierten in Bordellen die Zukunft voraus. 1934 starb Ringelnatz so gut wie mittellos in Berlin an Tuberkulose. Unter dem Titel Ich hatte leider Zeit liest der - einmal mehr unvergleichliche - Harry Rowohlt aus den pointierten Texten des Humoristen mit den markanten Gesichtszügen, der heuer im August 125 Jahre alt geworden wäre. "Ich bin überzeugt, dass mein Gesicht mein Schicksal bestimmt", sagte er einmal: "Hätte ich ein anderes Gesicht, wäre mein Leben ganz anders, jedenfalls ruhiger verlaufen. (Ute Woltron, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 27./28.09.2008)