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Unternehmen bereiten ihre ins Ausland entsendeten Mitarbeiter zu wenig auf das Ausland vor und auch für die Zeit nach der Rückkehr wird zu wenig getan

Foto: AP/Winfried Rothermel

Karin Schreiner spricht aus eigener Erfahrung. 16 Jahre hat sie im Ausland gelebt und gearbeitet, ist mit ihrer Familie von einem Land ins nächste gezogen. Was mit einer "blauäugigen Neugierde" begonnen hatte, war zuweilen nicht einfach zu managen - auch nicht zu verkraften, erzählt sie heute. Schreiner betreibt das Unternehmen Intercultural Know How Training & Consulting in Wien. Cross Cultural Communication wurde vom persönlichen Anliegen zu ihrem Broterwerb.

Wenig Vorbereitung fürs Ausland

Zahlreiche Unternehmen, die ihre Mitarbeiter ins Ausland entsenden, bereiten diese oft nur wenig darauf vor, sagt sie. Das führe in der neuen Heimat häufig zu totaler Verwirrung, das eigene kulturelle Bewusstsein werde mit neuen Eindrücken konfrontiert- oft lösen diese Unterschiede negative Emotionen aus, seien für die Betroffenen mehr als frustrierend.

Es sei eine wichtige Übung, die neuen Situationen nicht gleich zu werten, die kulturellen Besonderheiten eines Landes nicht persönlich zu nehmen. Das Leben und Arbeiten im Ausland zeige die Komplexität des Kulturbegriffes erst richtig auf: Man sei neben einer neuen Sprache mit einem anderen Auftreten, Verhalten oder aber auch einem gänzlich unterschiedlichen Zeitverständnis konfrontiert.

Vernachlässigte Rückkehr

Ähnlich verhalte es sich mit der Rückkehr von Expats, so Schreiner weiter. "Ein noch sehr vernachlässigtes Feld", sagt sie. Nur langsam trete ins Bewusstsein, dass neue kulturelle Erfahrungen auch Auswirkungen auf die persönliche Identität des Einzelnen haben. Dieser Mangel an Problembewusstsein lasse vieles an vorhandenem Potenzial versiegen - ein großer wirtschaftlicher Verlust sei die Folge.

"Dann gehe ich wieder"

Vor allem größere - vornehmlich amerikanische Unternehmen - gehen mit diesen Tatsachen versierter um als andere. Der Informationsfluss während des Auslandsaufenthaltes funktioniere besser, die Karriereplanung für Expats sei erprobter, und auch der Einsatz von Mentoren - bestenfalls selbst erfahrene Expats - komme häufiger zum Tragen.

Aber auch der „Heimkehrer" sei aufgefordert, seine Rückkehr genau vorzubereiten. Denn: An der Umsetzung des Einsatzes in der "Mutter" scheitern tolle Karrieren. Schreiner: "Darin liegt oft die Hauptfrustration für alle Beteiligten." Und Mitarbeiter, die längere Zeit im Ausland gelebt haben, nehmen schneller Reißaus als andere. "Wenn diese Menschen nicht entsprechend aufgenommen werden, sagen sie schnell "Na gut, dann gehe ich wieder".

Idealisierte Rückkehr

Expats wiederum tendieren dazu, ihre Rückkehr zu idealisieren. Die Realität sei aber in der Regel keine so sonnige, sagt Schreiner. Man selbst habe sich verändert und kehre in ein Umfeld zurück, dass weitgehend gleich geblieben ist. Karin Schreiner betreut auch Familienangehörige von Expats. Unter anderem widmet sie sich Fragen zum "emotionalen Verbleib" der Kinder, die ebenfalls mit der Unstetigkeit eines häufig wechselnden Umfeldes zurechtkommen müssen.

Natürlich erwerben diese auch Fähigkeiten, die im späteren Berufsleben von großem Vorteil sein können: Expat-Kinder sind oft mehrerer Sprachen mächtig, verfügen über eine hohe Flexibilität und Toleranz in Bezug auf gesellschaftliche Regeln und Gewohnheiten, sagt Schreiner. Sie verfügen über eine kulturelle Gewandtheit, die man sich im Erwachsenenalter nur schwer zu eigen machen könne. Monokulturelles sei für diese Menschen praktisch nicht vorhanden.

"Wurzellosigkeit"

Aber: Diese Erfahrungsvielfalt habe oft eine „Wurzellosigkeit" zur Folge. Vor allem, wenn Kinder in wichtigen Entwicklungsphasen aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden und mit verschiedenen kulturellen Werten in Berührung kommen, löse das häufig Orientierungslosigkeit aus.
Auch sei die Welt, in der diese Kinder leben, oft eine "künstliche", hervorgerufen etwa durch ghettoisierende, sehr geschützte Lebensbereiche. Einen Heimatbegriff haben die wenigsten. Am ehesten erreiche man diese Verbundenheit unter "Gleichgesinnten". Diese Peers sind für die Identitätsfindung sehr wichtig, und es sei eine wichtige Aufgabe für Eltern, ihren Kindern den Zugang zu solchen Gruppen zu ermöglichen.

Der Gedanke an den folgenden Umzug lasse viele Kinder - bis hin ins Erwachsenenalter - eben nur flach und nicht tief wurzeln. Für das spätere Berufsleben jedenfalls seien die Fähigkeiten von nicht unerheblicher Bedeutung. Um Interkulturalität zu leben, muss man heute nicht mehr ins Ausland fahren, sie werde mehr und mehr zum Alltag - ob man will oder nicht. (Heidi Aichinger, DER STANDARD, Printausgabe, 27./28.9.2008)