"Zu zweit" liefen sie zu komödiantischen Höchstleistungen auf: Arnulf Rainer und der angeblich "größere Clown" Dieter Roth.

Foto: Atelier Rainer

Obendrein verrät es einiges über die Schwierigkeiten bildnerischer Duette.

Wien – "Das will ich jetzt nicht. Das ist mir nicht angenehm", ziert sich Dieter Roth beim Duell im Schloss plötzlich, während er und Rainer einen aberwitzigen Fußspitzenkampf aufführen. Der Film vom April 1976 dokumentiert aber gleichzeitig ein Duell anderer Art – jenes ihrer Zusammenarbeit.

Roths Rückzug ist gleichzeitig der Versuch, die Oberhand zu behalten, zu dominieren. Die Frage, wer sich besser durchsetzen konnte, war eine wichtige Triebfeder für ihre Misch- und Trennkunst, von der nun rund 120 (aus inzwischen 500 wiedergefundenen und aufgearbeiteten) Arbeiten in der Orangerie des Belvedere zu sehen sind.

"Jeder wollte den Stil des anderen zerstören", wollte die größere Virtuosität beweisen, beschreibt Arnulf Rainer heute diesen künstlerischen Machtkampf, der ihm zusätzlich neue Impulse für die weitere Bearbeitung seiner eigenen Werke gab. Gleichzeitig "müsse man sich das mehr als clowneske Unterhaltung vorstellen" , mildert Rainer den Ernst des Wettstreits. Sie waren Rivalen und Kumpel, die einander mit dem Zeichenstift pieksten und kosten. So zeigt es eine übermalte Fotoserie von 1974, die beide einhellig vor einem Krügerl Bier sitzend zeigt: Zu Ohrenbrüdern zusammengeschweißt oder gemeinsam vom Alkoholdunst eingekreist, aber auch als Witzobjekt des anderen.So setzt Roth Rainer etwa einen kotenden Alb auf den Kopf. Rainer revanchiert sich anderswo mit Teufelstollen und bissigen dicken schwarzen Akzenten.

"Ich schick Dir die Meine"

In der "Trennkunst" arbeiteten sich beide nebeneinander an der gleichen Idee ab oder kommentierten Picasso-Drucke; die erweiterten Fotoarbeiten gehörten zur "Mischkunst" . Oft fern voneinander am gleichen Stück ausgeführt, der Postillon zwischen Braunschweig und Wien war ihr Komplize. "Und dann schicke ich Dir die Meine und behalte hier die Deine; und wenn Du fertig bist mit der, dann schickst Du mir die wieder her ..." , besprach Roth in seinem frühesten Schreiben vom März 1973 das gemeinsame Arbeiten, das bis zum Desaster mit Schimpansen ohne größere Missklänge funktionieren sollte.

Die Malaktion mit den Affen fand im Rahmen der 5. Grafik Biennale der Wiener Secession statt und ist als Videodokument sehr witzig und erheiternd. Tatsächlich lief die Aktion allerdings aus dem Ruder. Die "neuen grafische Aggressionstechniken", die Rainer während ihrer Zusammenarbeit lernte, konnte er nun an anderen beobachten: an den Affen und an Roth, der dann vor Wut über die autoritätsimmunen Tiere außerhalb des Käfigs auf einer Installation von Joseph Beuys herumhopste. Sagen wir es mit den Worten Rainers: "Beuys hatte keinen Humor."

Aber auch das Duo Rainer und Roth werkelte dann lieber wieder auf der eigenen Baustelle. Rainer blieb für Roth – der ebenso andere künstlerische Kollaborationen, u.a. mit Richard Hamilton, betrieb – jedoch der Liebste, erzählt Kurator Robert Fleck. Hamilton habe die zuvor aufgestellten Konzepte stets auf ihre Erfüllung überprüfen wollen, was oft zu heftigem Streit geführt habe. (Käserennen – unterwegs mit Dieter zeigt in der Galerie Konzett derzeit (bis 4. 10.) eine Handvoll seiner Gemeinschaftsarbeiten, von denen jene mit Rainer die lustigsten bleiben.)

Rainer-Roths unwiderstehliche Titel sind es, die einen laut lachen machen und fette Grinser ins Gesicht zaubern: Christus findet seine Jünger nicht oder Diether Roth zeigt, wie übel ihm auf dieser Welt ist, und spuckt dabei sein Oeuvre aus. Eine wunderbare Ausstellung: Der inexistente Superlativ "suprigst" müsste gestattet sein. Daher muss man gar nicht allzu ausschweifend von der ersten großen, selbstorganisierten Rainer-Ausstellung eines Bundesmuseums seit 1968 schwärmen. Denn das Vergnügen hatten vor einem Jahr zunächst einmal die Besucher der Hamburger Deichtorhallen, deren Hausherr Kurator Fleck ist. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 27./28.09.2008)