In der neuen Schaukäserei haben Besucher Einblick in die Käsebruchbearbeitung, das Abfüllen von Käse in Formen und die Käsereifung. Selbst mitarbeiten ist in der Versuchsküche möglich.

Foto: Die Käsemacher

Heidenreichstein - Wie ein überdimensionaler Käselaib steht die ehemalige "Anderswelt" in der Waldviertler Landschaft. Im Inneren des Rundbaus erinnern Hexenbaum-Reste und Pappmaché-Felsen an die mystische Erlebniswelt. "Das reißen wir natürlich alles raus", sagt Thomas Jungreithmayr, Marketingleiter der "Käsemacher". Wo bis 2006 das Übernatürliche regierte, soll bis 2010 eine Käse-Erlebniswelt entstehen.

Der Grund dafür: "In unserer Zentrale in Waidhofen an der Thaya mussten wir Besucher in ein Plastikgewand stecken, wenn sie beim Käsemachen zusehen wollten. Ich hab sie meist mehr durchgejagt als durchgeführt, damit der Käse nicht verunreinigt wird", erzählt Jungreithmayr. In der neuen Produktionsstätte und Schaukäserei Heidenreichstein soll das anders werden.

Ab Anfang 2010 sollen Käsefans in tribünenartigen Glasgängen durch die Käserei wandern und Angestellte bei der Arbeit beobachten können. Hobby-Gourmets dürfen in der Versuchsküche beim Käsemachen mitwirken. "Uns ist wichtig, dass Besucher die Zeit hier genießen", sagt Jungreithmayr. Käseverkostung und Gastronomiebereich sollen maßgeblich dazu beitragen, denn "essen tun die Leute immer gern".

30.000 Besucher soll das 6,2 Millionen Euro teure Projekt jährlich anlocken. Finanziert wird es von der Firma Käsemacher. Förderungen in noch unbekannter Höhe kommen von Bund, Land und EU. Geplant sind Packages mit anderen Attraktionen, etwa dem Heidenreichsteiner Moor oder dem Sole-Felsen-Bad in Gmünd. Auch mit den tschechischen Nachbarn soll kooperiert werden.

Zuversichtlich zeigt sich der Heidenreichsteiner Bürgermeister Johann Pichler (SP). Er hofft auf neue Arbeitsplätze und darauf, dass "die Lethargie in der überalterten Gemeinde durch positive Stimmung abgelöst wird".

Finanzdebakel

Denn Arbeit ist in dem abgelegenen Ort rar, die Geburtenrate der vergangenen Jahre war sehr niedrig. Finanzspritzen für die Käsewelt vergibt der Bürgermeister aber nicht persönlich. Denn die Gemeinde leidet an den Nachwirkungen des Anderswelt-Konkurses. 2,5 Millionen Euro Schulden muss Heidenreichstein abbezahlen.

Gescheitert war das Projekt am dünnen Besucherstrom. Statt erhofften 120.000 Erlebnishungrigen kamen im Jahr 2004 nur 23.000. Hinter dem mystischen Spektakel stecken die Eventdesigner von Explore 5D. Sie planten auch den neuen Pratervorplatz - was ebenfalls in einem Finanzdebakel endete. Explore 5D selbst musste im Juni Insolvenz anmelden.

Insgesamt sechs Millionen Euro hatte der Waldviertler In- und Outdoor-Erlebnispark samt Teich-, Beachvolleyball- und Skater-Anlage gekostet. Um magere 700.000 Euro wurde das Areal im Frühjahr an die "Käsemacher" verkauft. "Andere Interessenten, die zum Beispiel eine Zwergenwelt errichten wollten, konnten mich nicht überzeugen", meint Pichler.

Anders als Anderswelt

Die Schaukäserei erschien Pichler zukunftsträchtiger. Mit 130 Mitarbeitern und Exporttätigkeiten in über 35 Länder sind die Käsemacher seit 17 Jahren erfolgreich. Der Standort Heidenreichstein soll eigene Aufgaben in der Produktion übernehmen - etwa die Erzeugung von empfindlichem Rotschmierkäse - und nicht nur von hohen Besucherzahlen abhängig sein.

Vom Erfolg der Schaukäserei ist auch die Wirtschaftsagentur Ecoplus überzeugt. Sie schießt zwei Millionen Euro zu. Geschäftsführer Helmut Miernicki: "Das Konzept trifft den richtigen Punkt, die Firma Käsemacher ist innovativ. Und nicht so beratungsresistent wie die Betreiber der Anderswelt." (Bernadette Keusch, DER STANDARD Printausgabe, 27./28.09.2008)