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Die erste TV-Debatte in Oxford, Mississippi: der Demokrat Barack Obama, der Interviewer Jim Lehrer und der republikanische Kandidat John McCain.

Foto: REUTERS/Chip Somodevilla/Pool

In den Umfragen liegt Obama wieder vorn.

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Es gehört zu den Ritualen amerikanischer Wahldebatten, dass man sie hinterher mit Boxkämpfen vergleicht. Wer schlug härter? Wer hing in den Seilen? Wer ging zu Boden? „Ein paar gute Haken, aber kein K.o.", urteilte die Washington Post über das Duell Barack Obama gegen John McCain. Andere zogen den naheliegenden Vergleich zu Muhammad Ali. Wie Schmetterlinge seien die beiden umeinander herumgetanzt, aber gestochen wie eine Biene, das habe keiner.
Die Umfragen zeigten ein leichtes Plus für Obama. Bei den Meinungsforschern von Gallup, einem der renommiertesten Institute, lag er mit 49 Prozent vor seinem Rivalen, der auf 45 Prozent kam. Allerdings war es nicht die Debatte, die ihn nach vorn ziehen ließ. Vielmehr lag es an der gefassten, ruhigen Art, mit der er sich präsentierte, als die Finanzkrise die Nerven blank legte. Wichtiger als die Momentaufnahme einer Umfrage war ohnehin das Rollenspiel, das sich beim ersten Rededuell klar herauskristallisierte und auch die fünf Restwochen des Wahlkampfs bestimmen dürfte. Das Rollenspiel eines Generationenkonflikts.
McCain gefiel sich in der Rolle des Lehrmeisters, herablassend gegenüber einem Mann, den er für einen Grünschnabel hält. Sprach sein Rivale, starrte er mit einstudiertem Desinteresse ins Nichts. „Senator Obama versteht nicht, dass ...", begann er etliche seiner Sätze. „Ich glaube wirklich nicht, dass Senator Obama das Wissen und die Erfahrung besitzt, um ein guter Präsident zu sein." Der Jüngere parierte, indem er die Attacken tänzelnd ins Leere laufen ließ. Obama wirkte wie ein wohlerzogener Schüler, der die Erfahrung des Alters zu würdigen weiß, den Älteren nur eben einer verflossenen Ära zuordnet, wie ein gutes Stück aus dem Antiquitätenladen. „John hat absolut Recht, aber ...", lautete seine liebste Floskel.

Ein blechernes Echo

„Es war eine Debatte zwischen einem harten alten Mann und einem geschliffenen jungen", kommentierte die Los Angeles Times. „McCains Gerede von Erfahrung ließ ihn zu oft klingen wie ein blechernes Echo des 20. Jahrhunderts", spottete die New York Times. Eine Vorentscheidung sah niemand. Eher war es ein Warmmachen vor den nächsten Runden, den Streitgesprächen, die am 7. und am 15. Oktober folgen. Stand zum Auftakt die Außenpolitik im Vordergrund, so soll sich dann alles um die Wirtschaftspolitik drehen, das Thema, das die Amerikaner derzeit am brennendsten inter-essiert. Dann dürften sich auch die Differenzen deutlicher herausschälen, dürften schärfere Kontraste die eher verschwommenen Bilder der Premiere ersetzen.

Was jenseits des Generationenkonflikts auffiel, war, wie ähnlich Obama und McCain die akuten Krisenherde der Welt beurteilen. Beide wollen Russlands offensivere Politik gegenüber seinen Nachbarn eindämmen, beide wollen den Krieg in Afghanistan gewinnen, beide den Iran am Bau einer Atombombe hindern. Die Unterschiede liegen in den Nuancen, den Methoden. Wo McCain die harte Linie betont, unterstreicht Obama die Diplomatie.

Im Atomstreit mit Teheran setzt der Senator aus Illinois auf Gespräche. Seine frühere Bereitschaft, sich ohne Vorbedingungen mit dem iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadi-Nejad zu treffen, schwächte er aber ab. Den härtesten Haken der Debattennacht landete Obama in Sachen Irak. „Sie haben gesagt, es würde schnell und leicht werden", erinnerte er McCain an dessen Optimismus vor dem Einmarsch 2003. „Sie sagten, wir wüssten, wo die Massenvernichtungswaffen sind. Sie irrten sich. Sie sagten, die Iraker würden uns als Befreier begrüßen. Sie irrten sich. Sie sagten, es gebe keine Vorgeschichte der Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten. Und auch damit irrten Sie sich." (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, Printsausgabe, 29.9.2008)