Wien - Die Grünen denken ernsthaft über eine Koalition mit SPÖ und ÖVP nach. Parteichef Alexander Van der Bellen meinte am Dienstag auf einer Pressekonferenz, man werde sich einer Einladung zu entsprechenden Gesprächen mit den beiden nicht verweigern. Er verwies wiederholt darauf, dass für große Reformen wie etwa im Bereich der Bildung oder dem Gesundheitswesen eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig sei, die man mit einer solchen Dreier-Koalition haben würde. Eine Unterstützung einer Minderheitsregierung schloss er ebenfalls nicht aus. Van der Bellen selbst wird zumindest vorerst an der Parteispitze bleiben.
"Ich werde sie weiter auf die Folter spannen", meinte er nach seiner Zukunft gefragt. Es gehe dabei um höchstpersönliche Entscheidungen, die er nicht auf Zuruf der Medien fällen werde, sagte er. Außerdem wolle er das endgültige Wahlergebnis abwarten, fügte Van der Bellen hinzu. Nach Auszählung der Wahlkarten hofft der Grünen-Chef darauf die bisherigen 21 Mandate im Parlament halten zu können. Auf die Frage, ob er sich der Meinung anschließe, dass seine Partei ohne ihn ein schlechteres Ergebnis eingefahren hätte, meinte Van der Bellen: "Das sehe ich auch so."
"Große Lust aufs weitermachen"
Lust in seinem Amt zu bleiben hat Van der Bellen nach eigenen Angaben weiterhin. So habe "was sich am Sonntag abgespielt hat" ihm große Lust auf weitermachen gemacht. Aufgrund des starken Zugewinns der Rechtsparteien sei es umso mehr Aufgabe der Grünen "fremdenfeindlichen und antisemitischen Positionen energisch entgegenzutreten.
Fehler gestand Van der Bellen zwar ein, verwies aber darauf, dass man diese schon vor dem Wahlkampf begangen habe. Der Wahlkampf an sich sei nämlich sein bester gewesen, auch medial, ist er überzeugt. Einmal mehr wiederholte er, dass man an den inhaltlichen Positionen der vergangenen Wochen nichts ändern werde. Als Beispiel nannte er etwa die Verteidigung der Grund- und Freiheitsrechte im Zusammenhang mit der Causa des radikalen Tierschützers Martin Balluch. Insbesondere nach dem schlechten Abschneiden des Liberalen Forums sei es nun eine Verpflichtung den Gedanken der Grundrechte weiter zu verteidigen, meinte er.
"Faymann am Zug"
Bezüglich anstehender Koalitionsverhandlungen sieht Van der Bellen nun "Faymann am Zug". Er erwarte sich von dem SPÖ-Parteichef und Neo-ÖVP-Chef Josef Pröll, dass diese nicht versuchen, die alte Koalition fortzuführen. Die große Frage werde sein, ob die beiden bereit seien, bei der Bildungspolitik oder im Energiebereich neue Wege zu beschreiten. Neben der sogenannten "Kenia-Koalition" von rot-schwarz-grün schloss Van der Bellen auch eine Unterstützung einer Minderheitsregierung nicht aus. Dabei werde es darauf ankommen, was man seiner Partei anbieten werde, so der Professor.
Übergang muss "gut vorbereitet werden"
"Mittelfristig" lautete bei anderen die Zeitangabe für die VdB-Ablöse. Personell und strukturell müsse der Übergang "gut vorbereitet und gestaltet werden" , sagt etwa der Vorarlberger Landeschef Johannes Rauch. Er selbst möchte 2009 lieber Landesrat werden.
Altgediente Funktionäre warten gespannt auf die Wahlanalyse der Partei. Volksanwältin Terezija Stoisits hat nämlich nur einen "schlicht faden und einfallslosen" Wahlkampf erlebt. Die Spitze müsse sich wieder verbreitern, die Abgeordneten stärker in den Vordergrund bringen. Ihrer Kritik schließt sich der EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber an: "Die Grünen sind zu einem Nischenprojekt verengt worden." Auf wesentliche Fragen etwa im Sozialbereich seien keine Antworten gekommen. Voggenhuber: "Nach den Niederlagen in Niederösterreich und Tirol konnte man doch sehen, dass die Leute mit der Partei unzufrieden sind. Und wir posaunen hinaus, den Vizekanzler stellen zu wollen." Und was ihn besonders ärgert: Nun werde auch noch die Parole ausgegeben, alles sei "wunderbar. Aber es ist nicht alles wunderbar." (APA/Jutta Berger, Peter Mayr, DER STANDARD-Printausgabe, 30. September 2008)