Knapp vor der Wahl wurde eine Studie eines Kommunikationswissenschafters an der Akademie der Wissenschaften mit der Schlussfolgerung veröffentlicht: "Alle österreichischen Medien kampagnisieren, die Kronen Zeitung sticht dabei nicht heraus." Die Frage stellt sich, zu welchem Ende man den Mann hat studieren lassen, wenn er den beispiellosen, ins absurd-lächerliche ("Tiere würden Faymann wählen") abgleitenden Furor der "Krone" als normal empfindet (des Rätsels Lösung liegt im falschen methodischen Ansatz: "Kampagnisieren" ist demnach alles, was nicht "Sachthema" ist).
Na gut. Dass die "Krone" völlig hemmungslos und wahrheitsverdrehend kampagnisiert, sah man schon bei der Anti-EU-Kampagne. Sie hat damit zweifellos auch eine verstärkende Wirkung erzielt.

Weniger klar ist, ob der Halleluja-Express der "Krone" (und Österreichs) für Faymann eine signifikante Wirkung erzielt hat. Hans Dichand behauptet das für seine Zeitung jedenfalls, auch am Tag nach der Wahl. Und schließt daran gleich seine Wünsche bezüglich Regierungsbildung: Faymann und Pröll sollen eine erneute Koalition SPÖ/ÖVP machen, allerdings unter der Maßgabe, dass "in unserer Demokratie das Recht vom Volk ausgeht".

Das "Volk" sind offenbar die 18 häufigsten Leserbriefschreiber der "Krone" (ihnen sind über 1800 Briefe in einem Zeitraum von zwei Jahren zuzuordnen), und deren Ergüsse sollen auch die Richtschnur der Regierung werden. Also vor allem: Die EU ist ein Werk Satans.

Faymann und Pröll zeigen leider in ihrem bisherigen Verhalten nicht wirklich, dass sie sich von dem Diktat eines 87-jährigen Zeitungszaren emanzipieren wollen (übrigens: wenn die ÖVP ihr Personalreservoir schon wieder aus dem Bauernstand bezieht, warum dann nicht gleich einen international erfahrenen, "schwerkalibrigen" Politiker wie Franz Fischler?).

Faymann und auch Pröll seien aber auf eine Eigentümlichkeit der "Krone"-Kampagnen aufmerksam gemacht: Wenn Hans Dichand bestimmte Politiker inthronisieren wollte, so ist das meist mittelfristig schiefgegangen. Die Kronen Zeitung ist sehr gut darin, rechte und extrem rechte Stimmungen aufzunehmen und zu verstärken. Einsame Höhepunkte waren dabei die Staberl-Kolumne (in der einmal der Holocaust verharmlost wurde) und die Reimerei von Wolf Martin.

Aber etliche Politiker, von denen Hans Dichand zu einem bestimmten Zeitpunkt ganz intensiv wollte, dass sie zur Regierungsspitze aufsteigen, haben es letztlich nicht dorthin gebracht: Hannes Androsch, Jörg Haider, Karl-Heinz Grasser. Kurt Waldheim wurde zwar auch mit einer "Krone"-Kampagne gewählt, aber eine zweite Amtszeit konnte sie ihm trotz wertvoller Tipps (Grundstücksnachbar Dichand gab ihm den Rat, die Geiseln aus Saddams Irak zu holen) nicht verschaffen.

Die "Krone"-Leser wählen fast exklusiv SPÖ (und stark FPÖ und BZÖ). Das mag Faymann etwas geholfen haben, aber es konnte den Absturz der SPÖ unter 30 Prozent nicht verhindern. Wer mit der "Krone" regieren will, wird seine Wunder erleben. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Printausgabe, 30.9.2008)