Van der Bellen fürchtet keine Zerreißprobe, falls seine Partei mit SPÖ und ÖVP eine Koalition bildet. Auch eine rote Minderheitsregierung würde er unter Umständen dulden.

Foto: Standard/Fischer

Grünen-Chef Alexander Van der Bellen bleibt. "Ich werde Sie weiter auf die Folter spannen", sagte er am Dienstag über seine politische Zukunft. Er wolle das endgültige Wahlergebnis (plus Wahlkarten) sowie die Regierungsverhandlungen abwarten. Erst dann werde er "nähere Auskunft" geben.

Die Zukunft seiner Partei sieht der grüne Professor durchaus in einer Regierung - nicht aber mit dem BZÖ als Partner. Schwarz-Grün-Orange stehe "nicht zur Diskussion". Und eine sogenannte "Kenia-Koalition" aus Rot, Schwarz und Grün, die Parteikollegen ins Spiel gebracht haben? Van der Bellen: "Ich nehme zur Kenntnis, dass SPÖ und ÖVP diese Frage diskutieren. Eine Einladung zu Gesprächen werden wir annehmen."

Als „Behübschung" seien die Grünen aber "nicht geeignet", Rot und Schwarz müssten neue Wege, etwa in der Bildungspolitik, beschreiten. Dass eine derartige Koalition die Grünen vor eine Zerreißprobe stellen würde, beantwortet er so: "Ich fürchte mich jedenfalls nicht davor." Im Gegensatz zu 2006 kann sich Van der Bellen auch die Duldung einer Minderheitsregierung vorstellen: "Es kommt aber darauf an, was uns angeboten wird."

Beklatschte Niederlagen

Intern suchen die Grünen noch weiter nach den Ursachen für das schlechte Abschneiden bei der Wahl. Den Verlust an das Liberale Forum hätte man stark eingrenzen können, der Wahlkampf sei "sein bester gewesen", gab sich Van der Bellen überzeugt. Er sieht die Fehler in den Wochen davor.

Da ist er nicht der Einzige und auch nicht der Erste. Schon seit einem Jahr schwelt bei den Grünen eine Debatte über den Zustand der Partei. Die Kritik, die Funktionäre offen oder hinter vorgehaltener Hand äußern, ist mitunter diffus und auch widersprüchlich. Doch einen gemeinsamen Nenner gibt es: Irgendwie lahmarschig seien die Parteiführer in Wien geworden, mutlos und angepasst.

Nicht nur einmal fühlten sich die Kritiker in den vergangenen Monaten bestätigt. Zu den Wahlen in Niederösterreich traten die Grünen mit dem Slogan "Damit Kontrolle mitregiert" an - was der Europaparlamentarier Johannes Voggenhuber "verwaschen und defensiv" nannte. Ihre Ziele verfehlten sie am flachen Land ebenso wie in Tirol, wo sie statt der erträumten 20 Prozent auf die Hälfte absackten.

Die grüne Führungsgarnitur hatte für die Schlappen viele Erklärungen parat, wobei unzufriedene Funktionäre vor allem eines vermissten: Selbstkritik. In Niederösterreich habe ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll mit seiner Propagandamaschinerie alles niedergewalzt, lautete die Rechtfertigung. In Tirol wurde Fritz Dinkhauser zum scheinbar unbezwingbaren Spielverderber erklärt.

Eines habe ihn am Wahlabend vergangenen Sonntag besonders gestört, schreibt der Wiener Gemeinderat Christoph Chorherr in seinem Weblog: dass die eigene Niederlage auch noch beklatscht wurde. Selbstzufriedenheit als grüne Krankheit? Es lässt sich schwer behaupten, Van der Bellen und Co hätten alle Kritik einfach vom Tisch gewischt. Seine Wahlkampfauftritte im Fernsehen legte der Professor angriffiger an als sonst, und auch um die geforderte personelle Erneuerung gab es Bemühungen. Doch das Ergebnis war durchwachsen. Neue Bewerber wurden spät gewählt und sorgten mit Ausnahme des radikalen Tierschützers Martin Balluch für wenig Aufsehen. Potenzielle, von der Parteispitze gepushte Quereinsteiger scheiterten bei der Listenwahl an den grünen Funktionären.

In Wien regt sich Protest

Das könnte nun auch Van der Bellen blühen, wenn sich doch noch eine Chance auftun sollte, in die Regierung zu kommen. Bei den Wiener Grünen regt sich Protest gegen eine „Kenia-Koalition" mit SPÖ und ÖVP. "Ich halte eine Koalition der Verlierer für vollkommen absurd", sagt Gemeinderat Martin Margulies; sein Kollege Rüdiger Maresch meint: "Das wäre ein großer Tanker mit etwas grünem Efeu. Also ich sage Nein, das brauchen wir nicht." Die Chancen sinken freilich ohnehin: SPÖ-Chef Faymann (siehe Interview) zeigt erst einmal Ablehnung. (Gerald John, Peter Mayr, DER STANDARD Printausgabe, 1. Oktober 2008)