Bauernbund-Präsident Fritz Grillitsch spürt das Misstrauen der Bevölkerung gegen große Koalitionen.

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STANDARD: Was bedeutet es, dass der Bauernbündler Josef Pröll Parteichef wird?

Grillitsch: Sepp Pröll wird - mit uns - in sich gehen müssen und das Ergebnis genau analysieren. Denn es ist zu wenig, jetzt nur Köpfe zu wechseln. Jetzt muss man inhaltlich und programmatisch aufarbeiten, was am 28. September passiert ist.

STANDARD: Was kann die ÖVP denn inhaltlich ändern? Soll sie etwa eine sozialdemokratischere Politik machen? Soll sie eine nationalere Politik machen, um erfolgreicher zu werden? Was ist denn falsch gelaufen?

Grillitsch: Genau das ist die Frage: Mit welchen Themen haben wir nicht punkten können? Hatten wir die richtigen Antworten auf die täglichen Sorgen der Menschen? Haben wir zu lange gepokert - etwa in der Frage der Teuerung? Wir müssen uns fragen, warum so viele Leute - auch am Land, das trifft den Bauernbund - zum BZÖ übergelaufen sind?

STANDARD: Das Thema, dessentwegen die Wahlen überhaupt stattgefunden haben, war die EU. Gewonnen haben die EU-kritischen Parteien - war es also falsch, dass die ÖVP ein ganz klares Bekenntnis zu Europa abgelegt hat?

Grillitsch: Mit dem EU-Thema kann man bestenfalls einen EU-Wahlkampf gewinnen, aber keinen Nationalratswahlkampf.

STANDARD: Soll die ÖVP bei ihrer EU-Linie bleiben?

Grillitsch: Die ÖVP hat ein klares EU-Bekenntnis, da werden wir drauf bleiben. Die ÖVP hat in der EU vieles mitgestaltet - und das wird sie auch in Zukunft. Aber sie muss zur Kenntnis nehmen, was die Menschen spüren. Da kann man nicht nur sagen: Wir haben das und das erreicht. Da muss man näher an die Bürger heran.

STANDARD: Jetzt wird Pröll ein neues Team aufstellen. Da muss man auf die Machtverhältnisse zwischen Ländern und Bünden aufpassen. Kann, soll noch ein weiterer Bauernbündler eine Top-Position einnehmen?

Grillitsch: Die Bauernbündler sind gute Leute, da wäre für viele Platz im Team vom Sepp. Aber das muss er sich alleine aussuchen. Und da muss man auch erst sehen, in welcher Rolle sich die ÖVP in den nächsten Jahren wiederfindet, da ist ja alles noch offen. Das einzige, was uns die Leute vermittelt haben: Ja keine große Koalition in dieser bisherigen Art!

STANDARD: Will der Bauernbund eine große Koalition oder die Oppositionsrolle?

Grillitsch: Am Zug ist jetzt Werner Faymann. Er hat alles außer einer großen Koalition ausgeschlossen - und muss jetzt einmal schauen, wie er eine Regierung zusammenbringt. Für uns gibt es keine Festlegung - aber was die Leute am wenigsten wollen, ist eine große Koalition. (Conrad Seidl/DER STANDARD-Printausgabe, 1. Oktober 2008)