Foto: Roger Kessler

Für Andrea Pichler ist der Nachweis einer Theorie "fast wie ein Lottogewinn".

Ohne diesen Prozess geht im Leben gar nichts: "Permanent werden in unseren Zellen verschiedene Proteine sensibel reguliert und aufeinander abgestimmt, damit entsprechende Lebensprozesse ablaufen", beschreibt Andrea Pichler ihr Forschungsgebiet. Die Natur hat sich nicht nur eine Vielzahl von Proteinen einfallen lassen, sondern auch gleich mehrere Mechanismen für deren Regulation.

Pichlers Arbeitsgruppe an den Max F. Perutz Laboratories der Medizinischen Universität Wien beschäftigt sich mit der Proteinregulierung durch Ubiquitin (2004 gab es den Chemie-Nobelpreis für die Entdecker des Ubiquitin-Systems) und Sumo (Small Ubiquitin Related Modifier).
Diese beiden Proteine können nur mithilfe einer zuvor ablaufenden Enzymstaffel angehängt werden, um ihre Arbeit zu verrichten. Die Molekularbiologin untersucht in diesem Zusammenhang speziell die Klasse der E2-Enzyme und wie sie gesteuert werden: Grundlagenforschung über Mechanismen innerhalb der Zelle, die etwa beim Entstehen von Alzheimer, Parkinson oder Krebs eine Rolle spielen und über deren genauen Ablauf die Wissenschaft bisher nur wenig weiß.

Andrea Pichler studierte an der Universität Wien Molekularbiologie, weil die mathematische Logik des Fachs sie reizte, und fing nach der Promotion im Novartis-Forschungsinstitut an, wo "zielstrebig gearbeitet wurde, abseits von kleinkariertem Konkurrenzdenken". Allerdings wurde - ein Nachteil der Privatwirtschaft - ihr Forschungsprogramm kurzfristig gestrichen. Im Jahr 2000 wechselte sie an das Max-Planck-Institut für Biochemie nach München, wo sie erstmals am Sumo-Molekül arbeitete.

Eine wichtige Publikation ihrer Arbeitsgruppe erschien vergangenen August in der Fachzeitschrift Molecular Cell: "Es ist eine ziemlich zähe Angelegenheit, als kleines Labor in den großen Wissenschaftsmagazinen zu publizieren, und erfordert viel Durchhaltevermögen", sagt die Wienerin.
In Deutschland hat sie gelernt: "Lieber große Kuchen backen. Man muss sich trauen und in größeren Dimensionen denken. Voraussetzung dafür sind aber eine gute Infrastruktur und eine längerfristig gesicherte Finanzierung."

Bis Ende 2008 arbeitet die unabhängige Projektleiterin aus Drittmitteln des WWTF und des FWF. Um Folgefinanzierungen hat sie sich bereits beworben. Ihre Karriere empfindet Andrea Pichler bis heute als nicht planbar, was auch für viele andere Wissenschafterinnen die Familienplanung erschwere. Nach vier Jahren unfreiwilliger örtlicher Trennung von ihrem langjährigen Lebensgefährten bleibt ein Job in der gleichen Stadt ein wesentliches Ziel.

Ihren drei Mitarbeiterinnen will die Film- und Chili-Liebhaberin das analytische und kritische Durchleuchten eigener und fremder wissenschaftlicher Ergebnisse als Teil des Forschungsalltags vermitteln: "Wenn Experimente nicht funktionieren, denke ich mir, dass die Natur einfach smarter ist als ich, und lasse mir etwas Neues einfallen. Wenn der Nachweis einer Theorie klappt, ist das fast wie ein Lottogewinn." (Astrid Kuffner, Der Standard, Printausgabe 01.10.2008)